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Im Einsatz: Das unbemannte Luftfahrzeug „Predator“ kann zur Überwachung, Erkundung, Aufklärung und mit Waffen bestückt in Kampfeinsätzen verwendet werden.

© Reuters

Jagd auf Terroristen: Obama forciert Drohnenangriffe

Unter dem Friedensnobelpreisträger Barack Obama fliegt die US-Armee so viele Luftangriffe wie nie zuvor. Die UN warnen vor zivilen Opfern.

Berlin - Sie sind Amerikas Antwort auf den islamistischen Terrorismus: Predator und Reaper. Mit diesen mit Raketen und Bomben bestückten Drohnen machen die Luftwaffe und der Geheimdienst CIA Jagd auf Al Qaida und Taliban. Zunehmend werden die Drohnen nicht mehr nur zur Aufklärung, sondern zu Kampfeinsätzen genutzt. US-Präsident Barack Obama spricht anders als sein Vorgänger George W. Bush nicht von einem „globalen Krieg“ gegen Terror. Aber er ist alles andere als zimperlich. Mit Kampfdrohnen und geheimen Kommandos geht er gegen Amerikas erklärte Staatsfeinde vor, und das auch außerhalb der definierten Kampfzonen Irak und Afghanistan. Schon die Liquidierung von Osama bin Laden Anfang Mai in Pakistan hatte gezeigt, dass Obama nicht vor Risiken und gewaltsamen Taktiken zurückschreckt, wenn es um die Ausrottung der Al Qaida geht.

Mit dem Drohnenangriff gegen den Prediger Anwar al Awlaki im Jemen ging er aber noch einen deutlichen Schritt weiter. Erstmals im Antiterrorkrieg, jedenfalls so weit man weiß, ließ Obama am vergangenen Freitag gezielt einen amerikanischen Staatsbürger töten.

Allein 2010 hätten die USA ihre unbemannten Flieger in Pakistan 118-mal Raketen auf Verdächtige abfeuern lassen, berichtete etwa die Washingtoner Stiftung New America Foundation. Mehr als 1700 Menschen seien dabei gestorben, darunter viele unschuldige Familien. Und zahlreiche Staaten eifern Amerika nach, Israel unterhält ein ambitioniertes Drohnenprogramm, China scheint die US-Modelle zu kopieren, und sogar der Iran stellte im vergangenen Jahr mit dem Waffenträgersystem Karar („Angreifer“) ein eigenes unbemanntes Flugzeug vor.

Den Experten der Vereinten Nationen bereitet dieser Trend zunehmend Sorgen. Die UN riefen unlängst alle Streitkräfte auf, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um bei Luftschlägen die Tötung von Zivilisten, insbesondere von Frauen und Kindern, zu reduzieren. Die Vereinten Nationen kritisierten besonders die Drohnenangriffe – und meinten damit vor allem die USA. Radhika Coomaraswamy, Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für den Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten, sagte, dass die große Zahl von Unbeteiligten die weltweit bei Luftschlägen getötet würden, besorgniserregend sei.

Die USA bauen trotz aller Kritik ihr Drohnenprogramm weiter aus. Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

In den USA stieg die Zahl der ferngelenkten Flugkörper von unter 100 im Jahr 2003 auf mehr als 7000 Stück 2009. „Raubtier“ und „Sensemann“ heißen die Kampfdrohnen übersetzt – sie machen ihren Namen alle Ehre: Eine Analyse der New America Foundation ergab, dass von Juni 2004 bis April 2011 zwischen 1435 und 2283 Menschen durch Drohnenangriffe getötet wurden – zwischen 1145 und 1822 davon sollen Gegner der US-Armee gewesen sein. Demnach wären maximal bis zu rund 1100 Unbeteiligte bei den Attacken gestorben. Pakistanische Offizielle sprechen jedoch allein für 2009 von 700 Zivilisten, die bei Raketenbeschuss durch Drohnen starben. Die Zahlen sind so ungenau, weil es kaum offizielle Angaben gibt. Das US-Militär hält sein Drohnenprogramm geheim, selten werden Angriffe offiziell bestätigt.

Peter Bergen, der Studienleiter, und sein Team werteten deshalb Berichte seriöser Medien im Westen und in Pakistan aus. Da Journalisten wegen der schlechten Sicherheitslage jedoch nur sehr eingeschränkt im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet arbeiten können, dürfte die Dunkelziffer sehr hoch sein. Die amerikanische Regierung spricht von 30 getöteten Zivilisten zwischen Mai 2008 und Mai 2010. Das gilt unter Experten jedoch als Schönfärberei.

Denn seit dem Amtsantritt von Barack Obama im Januar 2009 ist die Zahl der Drohneneinsätze gewaltig angestiegen. Der Friedensnobelpreisträger genehmigte in zwei Jahren an der Regierung fast vier Mal so viele Angriffe wie sein Vorgänger, George W. Bush, in zwei Amtszeiten, schreibt Bergen in dem renommierten Fachmagazin Foreign Affairs. So habe Bush insgesamt 44 Attacken mit unbemannten Flugzeugen auf Ziele in Pakistan zugestimmt. Unter Obama dürften es mehr als 180 gewesen sein – allein in den pakistanischen Stammesgebieten. Weitere Einsatzregionen wie Afghanistan, Irak, Jemen und Somalia sind hier nicht eingerechnet. Durchschnittlich genehmige Obama alle vier Tage Drohnenangriffe, unter Bush habe es nur alle 40 Tage eine Attacke gegeben.

Die zivilen Opfer führen immer wieder zu Protesten und Demonstrationen in Pakistan. Eine Umfrage des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Gallup ergab, dass nur neun Prozent der Pakistani die Drohnenangriffe befürworten. Analysten des Think Tanks New America Foundation fanden heraus, dass zwei Drittel der Menschen in den Operationsgebieten der Drohnen hingegen Selbstmordattentate gegen Amerikaner für legitim halten. Aus Sicht der Taliban verkörperten Drohnenangriffe eine „unheroische“ Art der Kriegsführung, stellt Niklas Schörning im Friedensgutachten 2011 fest, das mehrere deutsche Forschungsinstitute jüngst veröffentlicht haben.

Der Schaden, den das Drohnenprogramm in der islamischen Welt anrichte, könnte höher sein, als dessen Nutzen, warnen bereits amerikanische Militärs und der ehemalige Chef des Geheimdienstes NSA, Dennis Blair. Rund 80 Prozent aller Selbstmordattentäter, die in Afghanistan die internationale Schutztruppe angreifen, sollen aus den Operationsgebieten von Predator und Reaper kommen und daher die Folgen der Angriffe mit „Raubtier“ oder „Sensemann“ mitbekommen haben.

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