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„Schuss in den Ofen“. Das geplante Betreuungsgeld stößt bei Integrationsexperten auf Unverständnis. Denn es behindere die Integration von Kindern.

© Kitty Kleist-Heinrich

Jahresgutachten zur Integration: Mehr Kooperation für bessere Integration

Bund, Länder und Kommunen müssen bei der Eingliederung von Migranten enger zusammenarbeiten, fordert der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten. Und erläutert, warum der Föderalismus hier kontraproduktiv wirkt.

Berlin - Kritik wird verpackt in eine gute Nachricht: Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland hält eine aktive Integrationspolitik mit klaren Zielen nicht nur für richtig, sondern fordert sie auch ein, sagt Klaus Bade, Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Doch die Politik traue dem Bürger offenbar nicht. Jedenfalls hinke sie mit ihren Maßnahmen oft um Jahrzehnte hinterher – so wie bei dem am 1. April in Kraft getretenen Gesetz zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse. „Hunderttausende zum Teil höchst qualifizierte Zuwanderer“ erreiche das Gesetz nicht mehr, da sie entweder Ersatzkarrieren „unter ihrem Niveau“ eingeschlagen hätten oder als Taxifahrer oder Hausmeister in Rente gegangen seien, kritisiert Bade. Vor allem aber, und das ist die Hauptbotschaft des diesjährigen SVR-Integrationsberichts, sei das föderale System der Bundesrepublik „nur bedingt tauglich“, integrationspolitische Maßnahmen zu vernetzen und zu koordinieren.

Der SVR, eine Initiative von acht privaten Stiftungen, hat sein drittes Jahresgutachten und das zweite so genannte Integrationsbarometer vorgelegt. Diesmal geht es um die institutionellen Voraussetzungen für Integration in Deutschland, die nach Ansicht der Experten stark verbesserungswürdig sind – besonders im Bildungsbereich, aber auch in der Arbeitsverwaltung und beim Sozialen Wohnen. Um das „eher unkoordinierte Nebeneinander“ zu vermeiden und „Informationstransfer sowie Vernetzung“ zu gewährleisten, schlägt der SVR eine „zentrale Serviceagentur für kommunale Integrationspolitik“ vor, die beispielsweise an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angeschlossen werden könne.

Auch hofft Bade auf eine „Entlastung des Bundesinnenministeriums“, das „in der Einwanderungsgesellschaft noch nicht angekommen“ sei. Maria Böhmer (CDU), Staatsministerin für Integration, lehnte eine solche Serviceagentur aber postwendend ab, da die „Vertreter der Städte keine Vorgaben von oben wollen“. Der Hauptgeschäftsführer des Deutsche Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der am Dienstag der Vorstellung einer anderen Studie zur kommunalen Integration beiwohnte (siehe Kasten), betont sogar, es gebe kaum einen Bereich, wo Bund, Länder und Kommunen so stark vernetzt seien wie bei der Integration.

Dass aber Bildung für die Integration zentral ist, darüber ist man sich einig. Hier kritisiert der SVR das mit der Föderalismusreform von 2006 beschlossene „Kooperationsverbot“ zwischen Bund und Ländern als kontraproduktiv. Die Regelung, die verhindert, dass der Bund zum Beispiel arme Länder bei der Finanzierung ihrer Schulen unterstützt, gehöre abgeschafft. Die Länder müssten die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen stärker ausgleichen als bisher, da „Integration nicht von den zufälligen Rahmenbedingungen der Kommune abhängen“ dürfe, so der Rat.

Besonders deutliche Worte findet der scheidende SVR-Vorsitzende Bade für das geplante Betreuungsgeld. Ein „Schuss in den Ofen“ sei es, zumindest integrationspolitisch. Es werde „absehbar dazu führen, dass der Besuch einer Kita ausgerechnet bei Kindern zurückgeht, deren Eltern die sozialen Startnachteile ihrer Kinder bei Bildung oder Deutschkenntnissen nicht aus eigener Kraft bis Schulbeginn ausgleichen können“. Eine Kitapflicht fordert der SVR zwar nicht, aber Bade fordert, auch hier darauf zu achten, dass nicht durch ungleiche Ausgangschancen der Kinder die „Transferabhängigkeit von einer Generation zur nächsten“ weitergegeben wird. Integration sei eben kein Thema ausschließlich mit Migrationshintergrund, sondern betreffe die gesamte Gesellschaft.

Das in diesem Jahr zum zweiten Mal vorgestellte Integrationsbarometer, für das insgesamt 9200 Personen mit und ohne Migrationshintergrund in fünf Ballungsregionen, darunter Berlin-Brandenburg, befragt wurden, fällt angesichts heftiger öffentlicher Debatten über den Integrationswillen verschiedener Einwanderungsgruppen und Angst vor dem Islam stabil positiv aus. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung erwartet Verbesserungen der Integration durch die Politik, ebenfalls etwa 50 Prozent der Befragten – mit und ohne Migrationshintergrund – beklagt aber, dass die öffentliche Diskussion über Integration „eher negativ“ geführt werde. Dazu passt auch, dass die Integration am eigenen Wohnort meist als sehr viel besser wahrgenommen wird als anderswo.

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