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Jahrestag: Türkei diskutiert über den Staatsstreich von 1997

Zehn Jahre nach der Intervention der türkischen Militärs zur Entmachtung des damaligen islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan wird in der Türkei heftig über die Aktion der Generäle diskutiert.

Istanbul - Islamistische Gruppen riefen zum Jahrestag zu einer Kundgebung in Istanbul auf. Erbakan selbst gab nach Presseberichten den USA die Schuld an der Intervention vom 28. Februar 1997. Die gemäßigt-islamische Zeitung "Zaman" veröffentlichte eine Umfrage, nach der 71 Prozent der Türken das Eingreifen der Armee negativ bewerten. Dagegen verteidigte der damalige Generalstaatsanwalt Vural Savas die Intervention. Auch einige große bürgerliche Zeitungen bezeichneten die Aktion der Armee in Kommentaren zum Jahrestag als notwendiges Korrektiv der Demokratie gegen eine islamistische Bedrohung.

Die türkische Militärspitze hatte Erbakan am 28. Februar 1997 in einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates in Ankara unter Druck gesetzt. Die Generäle zwangen Erbakan, dem fundamentalistische Tendenzen vorgeworfen wurden, ein von den Militärs verfasstes Maßnahmenpaket gegen islamistische Umtriebe zu unterzeichnen. Dazu gehörte unter anderem die Durchsetzung des Kopftuchverbots und eine Eindämmung religiöser Einflüsse im Bildungssystem. Unter diesem Druck musste Erbakan wenige Monate später aufgeben und seinen Rücktritt einreichen.

Da bei der Intervention der Generäle kein einziger Schuss fiel, wird die Initiative in der Türkei als "postmoderner Staatsstreich" bezeichnet. Die Militärs hatten schon 1960, 1971 und 1980 zivile Regierungen in Ankara gestürzt. Mit Blick auf wachsende innenpolitische Spannungen vor der Neuwahl des türkischen Staatspräsidenten im Mai wird derzeit über die Möglichkeit eines erneuten Eingreifens der Militärs spekuliert. (tso/dpa)

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