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Machtbau mitten in Berlin: Das Bundesministerium der Finanzen in der Wilhelmstraße.

© imago/Schöning

Jamaika-Poker: Wer kommt nach Schäuble ins Finanzministerium?

Die FDP kokettiert mit dem Zugriff auf das wichtigste Ressort. Der neue Chef dort könnte freilich Peter Altmaier heißen. Kommissarisch ist er ja schon im Amt.

Im Bundesfinanzministerium geht nicht nur eine Ära zu Ende. Wolfgang Schäuble, Ressortchef mit der drittlängsten Amtszeit nach den CSU-Politikern Theo Waigel (1989-1998) und Fritz Schäffer (1949-1958), hat das Amt nach acht Jahren aufgegeben und ist zum Bundestagspräsidenten gewählt worden. Doch es geht auch der schon seit 2005 amtierende Staatssekretär Werner Gatzer, der für den Haushalt zuständig ist und in dieser Rolle zu den mächtigsten Beamten in der Bundesregierung gehört.

Mit seinem strammen Regime, nicht nur gegenüber den Fachressorts, sondern auch in den immerwährenden Finanzhändeln mit den Ländern, hat er das „BMF“ geprägt wie wenige seiner Vorgänger, auch wenn seine zwei Minister - vor Schäuble war es Peer Steinbrück - die Linien vorgaben. Doch die strenge Kontrolle der Schuldenbremse mit dem Stabilitätsrat als Zentralorgan (die manche als Hobby Gatzers bezeichnen, andere als seine Manie) und die Umstellung des Verfahrens zur Aufstellung des Bundeshaushalts (die das Finanzministerium als Leitstelle stärkte) sind stark mit dem Namen des Sozialdemokraten aus Köln verbunden. Gatzer soll, so ist zu hören, einen Führungsjob bei der Deutschen Bahn bekommen.

Wer sein Nachfolger wird, ist unklar, weil unbekannt ist, wer Schäubles Nachfolger wird. Darüber gibt es ein Gerangel zwischen Union und FDP – und zwar nicht hinter den Kulissen, wie man in der frühen Phase von Koalitionsverhandlungen annehmen könnte, sondern ganz offen. Denn FDP-Chef Christian Lindner und sein Vize Wolfgang Kubicki kokettieren seit Wochen mit dem Thema und reizen damit vor allem die CDU. „Ein Grüner, ein CSU- oder ein FDP-Finanzminister – alles wäre besser, als das Kanzleramt und das Finanzministerium weiterhin in CDU-Hand zu halten“, sagte Lindner unlängst der „Frankfurter Allgemeinen“. Denn so könne Kanzlerin Angela Merkel durchregieren. Das aber „hat sich nicht bewährt“.

Lindner degradierte im Nachhinein Schäuble auch noch zum Befehlsempfänger Merkels. Das Finanzministerium sei „kein fachliches Korrektiv des Kanzleramts, sondern seine verlängerte Werkbank“, konstatierte der FDP-Chef, der keinerlei Regierungserfahrung hat.

Wunde aus der Vergangenheit

Manche unterstellen ihm ohnehin, er wolle eigentlich am liebsten außerhalb der Kabinettsdisziplin agieren – so wie Kubicki es in Schleswig-Holstein als Dauerfraktionschef der FDP im Landtag gehalten hat. Sein Schillern zwischen der Einforderung des Ressorts und der kritischen Einordnung der Rolle des Finanzministers zeigt jedoch die Bredouille, in der die FDP steckt. Dass die Freien Demokraten nach dem Wahltriumph von 2009 – dem ein Steuersenkungswahlkampf vorausging – nicht das Finanzministerium einforderten, sondern lieber das Außenamt als größtes Beutestück nahmen, galt im Nachhinein in der Partei als Fehler.

Denn Merkel und Schäuble ließen den selbstbewussten, aber eben kleineren Partner beständig auflaufen bei Versuchen, die FDP-Linie in der Steuer- und Haushaltspolitik kenntlicher zu machen. Mit einem Finanzminister aus den eigenen Reihen, so die Lesart, wäre das nicht so gekommen.

Christian Lindner (r.) und Wolfgang Kubicki.
Christian Lindner (r.) und Wolfgang Kubicki.

© Ralf Hirschberger/dpa

Auch jetzt dürften nicht wenige Wähler der Partei erwarten, dass Lindner einiges durchsetzt an Entlastungen in der Mitte und weiter oben – das ultimative Verlangen Kubickis, den Solidaritätszuschlag bis zum Ende der Wahlperiode ganz abzuschaffen, geht darauf zurück. Andererseits wissen auch die FDP-Oberen, dass die führende Partei in der Koalition selten einmal auf die Führung des zentralen Finanzressorts verzichtet hat. Dass die SPD es in Merkels erster großen Koalition bekam, hing damit zusammen, dass sie angesichts des knappen Wahlergebnisses auf Augenhöhe verhandeln konnte. Das kann Lindner nicht. So könnte das freche Reden über den Posten auch nur dazu dienen, der FDP anderswo mehr herauszuschlagen.

Zurechtgestutztes Ressort?

Die CDU hat längst erkennen lassen, dass sie einen Zugriff der FDP auf das Finanzministerium nicht goutiert. Nach einem Bericht des „Spiegel“ gibt es in der Union den Plan, der FDP allenfalls ein zurechtgestutztes Finanzressort zu überlassen. Demnach soll die Zuständigkeit für Europa und damit die Währungspolitik sowie die internationale Finanzmarktpolitik ins Wirtschaftsministerium verlegt werden (das dann die Union übernehmen würde). Das Finanzministerium wäre nur noch ein Haushaltsministerium mit anhängender Steuerabteilung und der Zuständigkeit für den Geldstreit mit den Ländern, wo die FDP derzeit nur in drei Regierungen sitzt.

Der Spielraum hier wäre freilich durch den Koalitionsvertrag eng gesteckt. Das Ministerium wäre für die FDP nicht mehr attraktiv. Andererseits könnte Lindner mit Verweis auf böse Absichten beim Koalitionspartner einen Verzicht auf das BMF besser rechtfertigen.

Der Unions-Plan würde die Rückkehr zum Zuschnitt vor 1969 bedeuten. Danach, in der sozialliberalen Koalition, wurde das Bundesfinanzministerium auf Kosten des von Ludwig Erhardt geprägten Wirtschaftsressort massiv aufgewertet. Im BMF herrschten seither SPD und Union. Das abgespeckte Wirtschaftsministerium durfte 21 Jahre lang die FDP führen, zuletzt mit solch legendären Amtsinhabern wie Martin Bangemann und Jürgen Möllemann – und dann nochmals 2009 bis 2013 mit Rainer Brüderle und Philipp Rösler. Unter SPD-Führung wurde es zwischenzeitlich aufgewertet, zuletzt 2002 unter dem „Superminister“ Wolfgang Clement, der auch als Arbeitsminister fungierte.

Neuerdings kümmert sich das Ministerium auch um Energiepolitik. Vorbild für die aktuellen Koalitionsbedürfnisse könnte die Lösung in der neuen schwarz-gelben Koalition in Nordrhein-Westfalen sein: Dort führt die FDP ein Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie.

Peter Altmaier.
Peter Altmaier.

© Gregor Fischer/dpa

Fester Korpsgeist

Im BMF, geprägt vom festen Korpsgeist seiner Beamten, dürften Versuche des parteipolitisch motivierten Zurechtschneidens ohnehin nicht gut ankommen. Von den Ministern wird auch erwartet, dass sie zum Ministerium passen - und das heißt, dass sie die jahrzehntelange Neigung zur Ordnungspolitik teilen. Hier ist das Ressort ideologisch sehr gefestigt. Diese Linie sollen Minister sowohl auf EU-Ebene als auch in Bund-Länder-Gefechten möglichst lange halten.

Dass der größte Saal im Ministerium nach Matthias Erzberger benannt ist, dem Finanzminister zu Beginn der Weimarer Republik, ist ebenfalls Programm. Denn Erzberger entmachtete die Länder und führte die Reichsfinanzverwaltung ein - von einer solchen Zentralisierung träumen viele Beamte im BMF. Gatzer zum Beispiel ärgerte sich darüber, dass ihm seine Länderkollegen "immer mit ihrer Autonomie kommen".

Dass ausgerechnet Peter Altmaier von Merkel mit der kommissarischen Leitung beauftragt wurde, scheint von daher einige Ministeriale auch zu alarmieren. Der Kanzleramtsminister könnte ja eine vorweggenommene Festbesetzung sein. Und Altmaier gilt als als ordungspolitischer Bruder Leichtfuß, der weniger konsequent auftritt als sein Vorgänger. Mit ihm sind zügigere Kompromisse nicht auszuschließen - was im BMF wohl eher als voreiliges Nachgeben gelten würde. Immerhin hat der Mann aus dem Saarland, das im Ministerium nur als föderaler Notfall wahrgenommen wird, im Kanzleramt die Koordinierung mit den Ländern unter sich.

Und auch europapolitisch ist Altmaier, in Brüssel seit jeher gut vernetzt, möglicherweise eher auf Konsens gestimmt. Wie die Chefin eben. Aber wäre ihnen ein FDP-Mann lieber?

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