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Stillstand. Die Beitrittsgespräche zwischen der EU und Ankara liegen auf Eis.

© DPA

Jamaika-Sondierungsgespräche: Merkel gegen Abbruch der EU-Gespräche mit Ankara

Kanzlerin Angela Merkel hält nichts davon, die künftige Bundesregierung darauf zu verpflichten, auf einen Abbruch der EU-Verhandlungen mit der Türkei hinzuwirken.

Die Frage, ob man die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei abbrechen soll oder nicht, hatte während des Wahlkampfes im TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz noch eine große Rolle gespielt. Bei den Jamaika-Sondierungsgesprächen ist dagegen offenbar die Neigung von Merkel gering, die künftige Bundesregierung darauf zu verpflichten, sich in Brüssel für einen kompletten Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei einzusetzen. Bei der Sondierungsrunde am Dienstagabend habe die Kanzlerin verdeutlicht, dass ein Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit Ankara im Kreis der 28 EU-Staaten nicht mehrheitsfähig sei, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Niemand habe Merkels Hinweis widersprochen, dass Österreich als einziges EU-Land einen Abbruch der Gespräche fordere.

Dass die Jamaika-Sondierer sich überhaupt eingehend mit der Türkei befassen, hängt vor allem mit den gegensätzlichen Positionen von Grünen und CSU zu den seit 2005 vor sich hindümpelnden Beitrittsgesprächen zusammen. Grünen-Chef Cem Özdemir warnte am Mittwoch im Deutschlandfunk vor einem Abbruch der Beitrittsgespräche. Nach seinen Worten stellten die Gespräche immerhin ein Mittel dar, um „die türkische Opposition zu stärken“. Er fügte aber auch hinzu, dass die auf Eis liegenden Verhandlungen „ein Muster ohne Wert“ seien. Jeder wisse, dass es mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan „keine Mitgliedschaft“ in der EU gebe.

Grüne Baerbock: Hermes-Bürgschaften für die Türkei beenden

Auch die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock, die wie Özdemir der Grünen-Verhandlungsdelegation bei den Jamaika-Sondierungen angehört, sagte dem Tagesspiegel, ein Abbruch der Beitrittsgespräche wäre „ein falsches Signal für die demokratischen Kräfte in der Türkei, die unsere Unterstützung brauchen“. Angesichts des derzeitigen Verhaltens der türkischen Regierung würden die Verhandlungen „noch lange eingefroren bleiben“, sagte sie. Wenn man der Regierung in Ankara und Erdogan zeigen wolle, dass sie ihren autoritären Kurs nicht fortsetzen können, „sollte man endlich Waffenexporte und Hermes-Bürgschaften für die Türkei beenden, EU-Heranführungshilfen stärker der Zivilgesellschaft zugute kommen lassen und geplante Verhandlungen zur Modernisierung der Zollunion mit der Türkei nicht aufnehmen“, so Baerbock.

CSU-Generalsekretär Scheuer für Abbruch der Verhandlungen

Dagegen plädierte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer am Mittwoch erneut für einen kompletten Abbruch der EU-Beitrittsgespräche. "Es kann keinen EU-Beitritt der Türkei geben", sagte er. Ähnlich positionieren sich auch die Liberalen. So hat der FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff angeregt, statt der Beitrittsverhandlungen ein neues Forum zu entwickeln, wo die EU und die Türkei gemeinsame Probleme wie die Flüchtlingspolitik, Energieversorgung oder Terrorbekämpfung behandeln könnten.

Europa-Gespräche sollen am Donnerstag fortgesetzt werden

Weil sich die potenziellen schwarz-gelb-grünen Partner am Dienstag aus Zeitgründen neben der Türkei nicht wie ursprünglich geplant mit weiteren EU-Themen befassen konnten, wurden die Gespräche zur Europapolitik auf diesen Donnerstag vertagt. Dabei wurden neben Baerbock und Lambsdorff die EU-Abgeordneten Reinhard Bütikofer (Grüne) und Manfred Weber (CSU) sowie der Bundestagsabgeordnete Jens Spahn (CDU) damit beauftragt, für die Europa-Sondierungen ein Entwurfspapier zu erarbeiten.

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