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Politik: Jammern kommt vor dem Fall

Von Dieter Fockenbrock Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie. Die andere Hälfte ist harte Realität.

Von Dieter Fockenbrock

Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie. Die andere Hälfte ist harte Realität. Gilt das auch für die Politik? Deutschland ist nicht in Stimmung, überhaupt nicht. Nichts scheint in der Wirtschaft mehr zu laufen. Schlechte Nachrichten vom Arbeitsmarkt, Gewerkschaften in Kampfstimmung, Pleiten in der Industrie, Versager in den Führungsetagen. Wo sind sie geblieben, die strahlenden Gründer, die begeisterten Technikfreaks, die charismatischen Wirtschaftskapitäne, die jubelnden Börsianer?

Heute dieses Bild des Jammers: Eine Katastrophenmeldung jagt die nächste, Krisensitzungen sind an der Tagesordnung. Manager stehlen sich davon, kurz bevor ihr Unternehmen auf Grund läuft – siehe Babcock Borsig. Leo Kirchs Medienreich wird von Insolvenzverwaltern zerlegt und seine Vision begraben. Fairchild-Dornier, der letzte unabhängige Flugzeugpionier auf deutschem Boden, scheitert im Wettbewerb gegen Branchengiganten. Nicht einmal die Megafusion Eon und Ruhrgas klappt, wird gestoppt durch lächerliche Verfahrensfehler. Und jetzt noch das Desaster bei der Telekom.

Reichte es nicht, dass der Börsenkurs auf ein Zehntel seines Höchststandes einbrach, dass dicke Schulden dem Vorzeigekonzern die Luft zum Atmen nahmen? Musste auch noch die Personaldebatte um den Telekom-Chef losgetreten werden? Dazu kam dann noch dieser unprofessionelle Versuch der Schröder-Regierung, Ron Sommer abzulösen, angestachelt vom Kanzler-Herausforderer Edmund Stoiber.

Miesepeter-Laune in der Wirtschaft, schlechte Stimmung auch in der Politik – hier zählt die Psychologie gleich doppelt. Da kann die Regierung noch so sehr betonen es gehe bald wieder aufwärts mit dem Wachstum, da kann die Opposition Hunderttausende neuer Arbeitsplätze versprechen, es klingt doch wie Hohn. Den Deutschen ist mitten im sonnigen Sommer 2002 ihr Feelgood-Faktor abhanden gekommen.

Und das bekommt der einstige Börsenstar Ron Sommer schmerzhaft zu spüren. Der Telekom-Chef stand für das moderne Deutschland, für den Abschied vom Behördenmuff, für den Aufbruch in eine neue Ära. Sich und seine Telekom konnte er perfekt vermarkten. Selbst die milliardenschweren Investitionen in den USA und in die UMTS-Technik hat der charismatische Manager geschickt verkauft. Er überzeugte, die Psychologie stimmte – bis gestern. Nun gilt derselbe Mann als arrogant, als unbelehrbar, jetzt soll er gehen. Ein Mann von gestern? Krisenzeiten fordern andere Qualitäten.

Das Sommer-Theater schaut sich in Wolfsburg jemand mit großem Interesse an. Bernd Pischetsrieder, Vorstandsvorsitzender des größten europäischen Automobilherstellers Volkswagen, kennt das Schicksal nur zu genau. Der hochgelobte Pischetsrieder musste bei BMW gehen, weil sein misslungener Einstieg beim britischen Hersteller Rover für die weißblauen Autobauer bedrohlich wurde. Abgelöst wurde der Automanager aus Leidenschaft von einem blassen Maschinenbauprofessor. Eine Übergangslösung, waren sich alle Beobachter einig. Sie irrten. Joachim Milberg führte BMW an die Spitze zurück – die Grundlagen dafür hatte Pischetsrieder gelegt.

Parallelen mit der Telekom sind nicht zu übersehen. Auch hier steht ein vermeintlicher Übergangskandidat zur Debatte. Der Marketingspezialist und Psychologe könnte durch den nüchternen Techniker ersetzt werden. Und was wird Gerd Tenzer wohl machen? Nichts Überraschendes, weil die Strategie Sommers so falsch gar nicht ist. Selbst wenn er jetzt gehen müsste: Ein Anschluss-Job dürfte ihm sicher sein. Ron Sommer hat nur einen, aber entscheidenden Fehler gemacht: Der Sonnyboy unter den deutschen Topmanagern hat die Macht der kleinen Aktionäre unterschätzt. Die haben zwar sonst nicht viel zu melden, nur im Wahljahr sind zornige Aktionäre auch zornige Staatsbürger. Und verärgerte Wähler hat der Sozialdemokrat Schröder schon genug.

Aber vielleicht nehmen die sich ein Beispiel an der Telekom. Und denken jetzt darüber nach, den Manager der Deutschland AG durch einen Mann aus der zweiten Reihe zu ersetzen. Weil sich die politische Strategie ja ohnehin nur in Nuancen ändern wird. Und die Lorbeeren – die hat dann halt der Nachfolger.

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