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Die meisten Erwachsenen in Japan haben ein persönliches Siegel.

© Toshifumi Kitamura, AFP

Japan in der Coronapandemie: Das Ende der Hanko-Stempel

Dokumente werden in Japan seit Jahrhunderten mit persönlichen Siegeln beglaubigt. Premier Shinzo Abe bricht mit der alten Tradition.

Auch die japanische Regierung sucht fieberhaft nach Wegen, die Coronavirus-Pandemie in den Griff zu bekommen. Deshalb ordnete Premier Shinzo Abe jetzt an, es müsse mit einer jahrhundertealten Tradition gebrochen werden. „Schluss mit Hanko, alles Online“, gab er in dieser Woche als Devise aus.

Auch die Japaner sind dazu angehalten, direkte Kontakte zu meiden, um das Infektionsrisiko zu mindern. Doch dem stand bislang eine fast unüberwindliche Hürde im Wege. Die meisten Dokumente – Anträge bei Behörden, Mietverträge, die Eröffnung eines Bankkontos oder die interne Kommunikation in Unternehmen – werden in der hochmodernen japanischen Gesellschaft noch auf Papier übermittelt. Die Schriftstücke müssen mit den Hanko oder Inkan – kleinen zylindrischen Stempeln, die in rote Farbe getaucht werden – besiegelt und meist auch persönlich übergeben werden. Viele Angestellte sahen sich deshalb gezwungen, tagtäglich weiter ins Büro zu fahren.

Die Regierung selbst stand der von ihr geforderten sozialen Distanz bisher massiv im Wege. Sie brachte umfangreiche finanzielle Hilfen für in Not geratene Familien und kleine und mittlere Unternehmen auf den Weg. Doch auch für diese Anträge brauchte es den Hanko-Stempel und die persönliche Übergabe beim Arbeitsamt oder bei anderen Behörden.

Künftig nur noch Kunst

Japan hat die Stempel-Praxis vor langer Zeit von den Chinesen für die Nutzung in den Verwaltungen übernommen, während Meiji-Reformen im 19. Jahrhundert kamen sie in allgemeinen Gebrauch. Die meisten Erwachsenen in Japan haben einen persönlichen Stempel und nutzen ihn als Unterschrift in allen Lebensbereichen. Selbst in IT-Firmen sind die Stempel erstaunlicherweise sehr weit verbreitet. „Wir nutzen komplexe Software und landen am Ende beim Papier“, zitierte die „Japan Times“ eine Angestellte eines IT-Unternehmens.

Hanku sind ein Anachronismus, erfreuen sich aber großer Popularität. Eine kürzliche Umfrage hatte ein kurioses Ergebnis: In fast der Hälfte aller Firmen, die Tele-Arbeitsplätze oder die Möglichkeit zum Homeoffice eingerichtet haben, kommen die Angestellten dennoch ins Büro, weil sie Dokumente auf Papier mit ihrem Hanko stempeln müssen. „Es lässt sich alles mit einer elektronischen Signatur erledigen. Der Gebrauch von Hanku passt nicht ins digitale Zeitalter“, sagte Hiroaki Nakanishi, Chef des einflussreichen Business-Lobbyisten Keidanren jetzt auf dem Youtube-Kanal des Unternehmens. Die Stempel gehörten fortan in den Bereich der Kunst.

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