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Viele Japaner sind gegen Atomkraft. Aber über die Endlagerfrage hat sich im Land bislang noch niemand Gedanken gemacht.

© dpa

Japan ist auf Endlagersuche: Keine Gemeinde will den strahlenden Müll

50 Atomreaktoren wurden nach Fukushima vorübergehend vom Netz genommenen. Einige von ihnen sollen wieder in Betrieb genommen werden - obwohl der frühere japanische Premierminister seinem Land einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie versprochen hatte. Dennoch werden einige höchstwahrscheinlich verschrottet. Das bringt ganz neue Probleme.

In Japan dürften bald mehrere Atomkraftwerke endgültig stillgelegt werden. Damit stellt sich wie in anderen Länder die Frage nach der Endlagerung von Atommüll. Als Konsequenz des schweren Reaktorunfalls in Fukushima im März 2011 und auch wegen der anhaltenden Anti-Atomkraftproteste im Land, hatte der frühere japanische Premierminister Yoshihiko Noda im vergangenen Herbst den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie verkündet. Allerdings wurde der Schritt von Nodas rechtskonservativem Nachfolger Shinzo Abe inzwischen wieder rückgängig gemacht. Nun ist es eine Frage der Zeit, bis zumindest einige der 50 nach Fukushima vorübergehend vom Netz genommenen japanischen Reaktoren wieder hochgefahren werden.

Um dies auch vor der Bevölkerung rechtfertigen zu können, traten am 8. Juli stärkere Regulierungen in Kraft. Neben dem Verbot, Kraftwerke dort laufen zu lassen, wo durch aktive Verwerfungen im Gestein Erdbebengefahr besteht, müssen unter anderem bessere Filter installiert werden, um Radioaktivität absorbieren zu können. Auch müssen höhere Schutzwände gegen künftige Tsunamis errichtet sowie sicherere Stromleitungen installiert werden. Die dafür nötigen Investitionen dürften Atomenergie nicht nur teurer machen. Viele Kraftwerke, insbesondere jene, die eine Laufzeit von 40 Jahren fast erreicht haben, dürften unter diesen Bedingungen kaum noch rentabel sein und dauerhaft abgeschaltet werden.

Japans Atomenergieaufsichtsbehörde hat verkündet, dass die Prüfung der Reaktoren, die wieder ans Netz wollen, um die sechs Monate dauern dürfte. Bisher haben sich von 50 zwölf beworben. Der Rest, so scheint es bislang, wird verschrottet werden. Was den meisten Atomkraftgegnern gefallen dürfte, wirft aber auch eine Frage auf, die in Japan bisher kaum diskutiert wurde: Wo soll der Abfall, den die Reaktoren produzieren, gelagert werden?

Die unzähligen Banner, die Demonstranten im vergangenen und diesem Jahr in die Luft streckten, kritisierten den Mangel an Sicherheit und Kontrollen, den Umgang mit den Evakuierungen rund um den Unglücksreaktor in Fukushima und die Politik von Tepco, dem Betreiber des havarierten Kraftwerks in Fukushima. Aber die in Deutschland so hochpolitische Frage der Endlagerung wurde selbst von den Aktivisten bisher vergleichsweise wenig beachtet. Wo man neue Zwischen- oder ein Endlager errichten kann und welche Form diese haben werden, könnte dann das nächste große Thema von Japans Anti-AKW-Demonstrationen werden. „Viele Menschen sind über das Thema kaum informiert“, sagt der Japaner Nobuo Tanaka, der zwischen 2007 und 2011 die Internationale Energieagentur anführte und heute zu Energiepolitik an der Universität Tokio forscht.

Nur so lässt sich erklären, dass die Angelegenheit bis jetzt kaum Gemüter erhitzt. Denn das durch Erdbeben gefährdete Japan hat es noch deutlich schwieriger als andere Länder, einen passenden Endlagerungsort für strahlendes Material zu finden.

In der Vergangenheit wurden Brennstäbe ins französische La Hague transportiert und wiederaufbereitet. Doch dieses Verfahren dürfte bald an Grenzen stoßen. Wenn nun aber gerade ältere Reaktoren nicht entsprechend aufgewertet und daher dauerhaft abgeschaltet werden, muss sich Japan eine Lösung für die dann anfallenden Abfälle einfallen lassen. Ein Zwischenlager wird bisher in der Stadt Rokkasho im Norden unterhalten. Aber wie in jedem anderen Land der Welt besteht keine Lösung zur endgültigen Lagerung jener Stoffe, die auch nicht weiter recycelt werden können. Sollten diese aus den Lagerstätten austreten, könnten sie unter anderem ins Grundwasser gelangen, was ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Menschen und Umwelt darstellen würde. „Japan baute Atomkraftwerke basierend auf dem Mythos, dass es keine Unfälle geben würde“, sagte vor kurzem Wirtschaftsminister Toshimitsu Motegi. Das gleiche gelte für die Frage der Endlagerung, sagt auch Tanaka. „Diesen Sachverhalt der Bevölkerung zu erklären, wird eine schwierige Aufgabe für die Regierung. Es wird nicht angenehm, die Optionen zu diskutieren.“

ie Suche nach bereitwilligen Gemeinden, die zunächst weitere Zwischenlager einrichten könnten, läuft seit längerem. Noch hat sich kein Ort bereit erklärt, den Müll anzunehmen. „Es gibt bereits Technologien, die die Lagerungszeit von Tausenden Jahren auf 300 reduzieren. Die müssen wir dringend besorgen“, sagt Tanaka. Dass selbst 300 Jahre, in denen die Strahlung des Mülls extrem hoch ist, noch mindestens zehn Generationen erheblichen Risiken aussetzen würden, besorgt zwar auch Tanaka. „Aber man muss diese Gefahren gegen die politischen Alternativen aufwiegen. Die Lagerungsdauer wäre schon viel kürzer und die Wissenschaft arbeitetet an besseren Lösungen.“

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