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Japan Tagebuch: Fukushima ist überall

In Japan ist es noch immer das beherrschende Thema und auch im Ausland wird die Atomenergie seit dem Atomunfall hinterfragt.

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So sehr sich die japanische Regierung auch bemüht, Fukushima wird sie nicht los. Japans Politik, die ungewisse wirtschaftliche Zukunft und die gesellschaftliche Entwicklung, alles hängt irgendwie mit dem Atomunfall zusammen, sei es als Ursache oder unerwünschte Begleiterscheinung.  Auch ein Besuch des Fudschijama kommt nicht ohne Fukushima aus. Die Kirschblüte steht bevor und damit die touristische Hauptsaison. Doch aus dem Ausland trauen sich nur noch wenige Touristen nach Japan. In der Region des berühmten Vulkanberges südlich von Tokio ist die Zahl ausländischer Gäste im vergangenen Jahr um zwei Drittel eingebrochen, „obwohl es hier weder Erbebenschäden und schon gar keine Verstrahlung gibt“, sagt ein örtlicher Tourismusvertreter. Viele kleine Restaurants und Pensionen leben hier vom Tourismus und auch Bauern und Handwerker, die ihre Produkte an Besucher verkaufen. Ob es in diesem Jahr besser wird, ist ungewiss. Ryuji Yamane, Staatssekretär im Außenministerium, reagiert für japanische Verhältnisse fast schon ungehalten auf „die vielen schlechten Gerüchte“, die über sein Land im Ausland verbreitet werden. Die auf Einladung seines Ministeriums angereisten Journalisten aus verschiedenen europäischen und asiatischen Ländern fordert er eindringlich auf, sich bei der Berichterstattung über Fukushima doch bitte an wissenschaftliche Fakten zu halten. Doch die scheinen nicht nur in Deutschland zu anderen Schlussfolgerungen zu führen als in Japan.  

Journalisten aus China, Indonesien, Südkorea, Indien, Katar und Großbritannien sind mit mir unterwegs. Die CNN-Korrespondentin in Japan ist an einem Tag mit dabei. Den deutschen Atomausstieg haben sie alle registriert. Ob Deutschlands Entscheidung richtig war, ist allerdings höchst umstritten. Der stellvertretende Chefredakteur des „Daily Mirror“, Benedict Brogan, will sich der „Atomhysterie“ jedenfalls nicht anschließen. „Auch in Fukushima werden mehr Menschen an Zigaretten sterben als an radioaktiver Strahlung“, sagt er bei einer internationalen Konferenz zur Berichterstattung über die japanische Erdbebenkatastrophe, die ebenfalls sehr schnell zu einer Atomdebatte wird. Der Kollege aus China sieht das Thema eher pragmatisch. Sein Land habe das Tempo beim Ausbau der Atomenergie nach Fukushima zwar verlangsamt, doch ein Ausstieg sei für die aufstrebende Macht undenkbar. Und die Bevölkerung? „Die lebt im Zweifel ebenfalls lieber neben einem Atomkraftwerk als in der Umgebung eines stinkenden Kohlekraftwerks“, sagt er.

Kritischer sind da schon die Indonesier und die Inder. Indonesien wird seine Pläne für den Bau des ersten Reaktors wohl aufgeben, meint Rohman Budijanto. Die Angst der Bevölkerung sei einfach zu groß. Er selbst scheint das allerdings anders zu sehen, bedauert er doch, dass unsere Reise nicht eine Besichtigung des havarierten Reaktors umfasst. Die Reporterin von „The Hindu“ aus Indien stellt in Japan dagegen viele kritische Fragen. „Die Menschen bei uns wollen wissen, was wir aus Fukushima lernen können“, sagt sie. Indiens Regierung hat zwar eine Überprüfung der Sicherheitsstandards aller Atomkraftwerke versprochen, aussteigen will sie jedoch ebenso wenig wie China. Ähnlich wie in Deutschland gibt es in Indien aber eine sehr aktive Protestbewegung gegen Atomenergie. Wesentlichen Anteil haben dort einfache Bauern und Fischer, die um ihre Existenz fürchten, wenn ein Reaktor vor ihrer Haustür errichtet wird. Fukushima ist für sie zum Schreckgespenst geworden. Und sie machen Druck. So viel Druck, dass die Politik offenbar nervös wird. Einer Frau aus Fukushima, die auf Einladung der indischen Atomgegner nach Indien reisen sollte, wurde das Visum kurzerhand wieder entzogen. Ein Aktivist aus Deutschland, so erzählt Priscilla Jebaraj, sei kürzlich ausgewiesen worden. Die chinesische Regierung hätte einen wie ihn wohl erst gar nicht ins Land gelassen. Kollege Su Qi will aber nicht ausschließen, dass sich die Einstellung zur Atomkraft auch in seinem Land noch ändern könnte. China sei ein „Post-Desaster-Learning-Country“, sagt er, wir lernen erst, wenn wir selbst ein Unglück erlebt haben.

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