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Japan - USA: Verbündet verstimmt

Tokio wünscht sich eine Partnerschaft auf Augenhöhe – die USA sind dagegen auf ein reines Militärbündnis fixiert, kritisieren die Japaner.

Heute trifft US-Präsident Barack Obama zum Auftakt seiner neuntägigen Asienreise zu einem Staatsbesuch in Tokio ein – mit einem Tag Verspätung wegen der Trauerfeierlichkeiten in Fort Hood. Der ursprünglich zweitägige Besuch schrumpft auf die Hälfte zusammen. Dabei will Japan nichts Geringeres als die Umgestaltung der amerikanisch-japanischen Beziehungen angehen. Denn nie war die Verstimmung zwischen den beiden Wirtschaftsmächten und Alliierten deutlicher.

Es galt bereits als Affront sondergleichen, als Japans neuer Premier Yukio Hatoyama im September vom Wunsch eines Ostasien-Bündnisses mit China sprach, dem alten Erzfeind Japans, in dem die USA, der Hauptverbündete Japans, keinen Platz hätten. Dabei hat Japan den Aufstieg zu einer der führenden Volkswirtschaften der Welt und den jahrzehntelangen Schutz seiner Grenzen der Nähe und Treue Amerikas zu verdanken. Das heutige Japan fühlt sich von den USA wie bevormundet, was unter der im August abgewählten Vorgängerregierung der Liberaldemokraten (LDP) nie Thema werden konnte. Die LDP regierte Japan ein halbes Jahrhundert lang unangefochten. Ihre Stärke verdankte die Partei auch Amerika, weshalb dieses wie ein Teil des Nachkriegsjapan erachtet wurde.

Doch mit dem Machtwechsel zu den Demokraten hat Premier Hatoyama Wahlversprechen einzulösen. Hatoyama kündigte Reformen an und verlangt auch ein Bündnis der Gleichberechtigung mit den USA. An solche Töne ist sich Washington aus Japan nicht gewohnt. Unstimmigkeiten herrschen auch zum von den USA seit 2004 errichteten nuklearen Raketenschutzschirm um Japan, dessen Bau Japan zwei Milliarden US-Dollar im Jahr kostet. Die erste Hälfte sei fertig, sagte Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa kürzlich. Für die zweite Hälfte fehle das Geld.

Beide gelten sie als Reformer und Visionäre, Hatoyama und Obama. Doch zwischen ihren Nationen schwelen ganz neue Konflikte. Der Argwohn Japans gegenüber den USA wächst noch, weil Hatoyama Initiativen zu weniger US-Truppen im Land vorlegt und findet, dass das Bündnis zwischen Tokio und Washington nicht nur eine Militärallianz sein soll, sondern dass Sicherheitsfragen auch Klimapolitik, die Versorgung mit Ressourcen sowie stabile Finanzmärkte umfassen. Doch Amerika scheint auf das Militärbündnis fixiert, an dem es nach US-Verteidigungsminister Robert Gates nichts zu rütteln gebe. Die USA gehen von einer statischen Partnerschaft aus, die Japaner streben nach etwas Dynamischerem.

Dass es Hatoyama dennoch wagt, einen US-Truppenabzug von Okinawa zu erwägen, wo rund 30 000 US-Marines stationiert sind, nahm man ihm in Washington sehr übel, war doch 2006 nach zehnjährigen Verhandlungen mit der LDP ein neues Truppenabkommen unterzeichnet worden, an das sich auch die neue japanische Regierung halten müsse. Der Vertrag mit den Koalitionspartnern aber verlangt von Hatoyama, das Abkommen gegebenenfalls neu auszuhandeln. Hatoyama sympathisiert dabei mit Anwohnern auf Okinawa, die Amerika und die umstrittene US-Marinebasis Futenma schließen lassen wollen. Im direkten Gespräch mit Obama bei seinem ersten Washingtonbesuch scheute Hatoyama eine harte Linie. Auch gegenüber Gates gab er sich zahm, während seine eigenen Demokraten und Koalitionspartner Druck machen.

Für mehr militärische Eigenverantwortung hätte Japan jedoch erst seine pazifistische Verfassung umzuschreiben, deren Artikel 9 den japanischen „Selbstverteidigungstruppen“ jede Form von Krieg verbietet.

Der eintägige Japanbesuch Obamas wird sich wohl mit gegenseitigen Treueversicherungen und dem Fokus auf Handel und Wirtschaft begnügen müssen, die sich ja wieder zu erholen scheinen. Die Klärung strategischer Bündnisfragen bedarf wohl eines längeren Atems und mehr Zeit.

Daniel Kestenholz[Bankok]

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