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Politik: Jede Tragödie nutzt Saddam

Nach Schüssen auf einen Bus untersucht das Pentagon den Vorfall

Wie konnte das passieren? In der Nähe der irakischen Stadt Nadschaf sind am Montag mehrere Frauen und Kinder erschossen worden – von Soldaten der 3. US-Infanteriedivision. Es ist ein erschütternder Vorfall, der Empörung in der arabischen Welt verursacht hat und auch Menschen in den USA bestürzt.

Über den Ablauf gibt es indes widersprüchliche Berichte. Laut Pentagon eröffneten die US-Soldaten das Feuer auf den Kleinbus an einer Kontrollstation, nachdem dessen Fahrer trotz mehrmaliger Aufforderung und einiger Warnschüsse nicht angehalten hatte. Zunächst sei auf den Motor des Wagen gezielt worden, dann auf den Fahrer. Sieben Frauen und Kinder seien ums Leben gekommen. Das Unglück ereignete sich gut 30 Kilometer nördlich von jener Stelle, bei der am vergangenen Sonnabend vier US-Soldaten bei einem Selbstmordattentat getötet worden waren. Auch sie gehörten zur 3. Infantriedivision.

Der Reporter der „Washington Post“, der diese Einheit begleitet, veröffentlichte am Dienstag indes eine etwas andere Darstellung der Ereignisse. Demzufolge ist unklar, ob rechtzeitig Warnschüsse abgegeben worden waren. Die Zeitung berichtet über den Vorgesetzten der Einheit, der aus der Entfernung die Soldaten mehrfach per Funksprechgerät aufgefordert haben soll, solche Warnschüsse abzugeben. Als der Wagen immer näher kam, habe er schließlich gebrüllt: „Haltet ihn auf! Haltet ihn auf!“ Dieser Befehl sei umgehend ausgeführt und mehrere Salven abgefeuert worden. „Ihr habt gerade eine Familie umgebracht, weil ihr nicht rechtzeitig genug Warnschüsse abgegeben habt“, habe der Vorgesetzte anschließend geschnaubt. Insgesamt zehn Zivilisten seien gestorben, darunter fünf Kleinkinder.

Niemand unterstellt, dass die US-Soldaten absichtlich unschuldige Menschen umbringen wollten. Dennoch wurde unverzüglich eine Untersuchung eingeleitet. Gab es Warnschüsse? Wenn ja, wie viele? Hätte der Wagen auch gestoppt werden können, wenn gezielt auf dessen Motor und Reifen geschossen worden wäre? Ein Versäumnis wurde sofort behoben. In Zukunft werden die Fahrer mit Schildern auf Arabisch zum Anhalten aufgefordert.

Verheerend wirken sich derartige Vorfälle auf die Wahrnehmung des Krieges aus. Mit seiner Guerilla-Taktik verfolgt Iraks Diktator Saddam Hussein das Ziel, die Grenzen zwischen Zivilisten und Kombattanten zu verwischen. Je mehr Zivilisten getötet werden, desto besser für ihn. Jede Tragödie nützt seiner Sache.

Die meisten US-Soldaten wiederum sind relativ jung, für viele ist es der erste Krieg überhaupt. Sie sind unsicher, pendeln zwischen Naivität und Überreaktion. Zu welchen Exzessen diese Kombination führen kann, lehrt das My-Lai-Massaker in Vietnam. Auch das wurde von verängstigten jungen Amerikaner verübt, die zermürbt waren von der Guerilla-Taktik und am Ende nicht mehr unterscheiden konnten zwischen unschuldigen Zivilisten und gegnerischen Kräften.

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