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Blutiger Anschlag in der Hauptstadt Sanaa.

© dpa

Jemen versinkt im Chaos: Mehr als 60 Tote bei Anschlägen in Sanaa und Mukalla

Vor zwei Tagen schien im Jemen eine Einigung zwischen der sunnitischen Zentralregierung und den schiitischen Houthi-Rebellen greifbar, nun erschütterten zwei schwere Attentate mit insgesamt 68 Toten den kriselnden Staat.

Helfer schleppen Verwundete in das nahegelegen Polizei-Krankenhaus. Verstümmelte Leichen liegen auf dem Pflaster in ihrem Blut. Leichter Verletzte haben sich mit schmerzverzerrten Gesichtern einige hundert Meter entfernt in Sicherheit gebracht, derweil die Lage in ihrer Heimat immer mehr außer Kontrolle gerät. Am Donnerstag erschütterte eines der schwersten Selbstmordattentate in der Geschichte des Jemen die Hauptstadt Sanaa und ruinierte gleichzeitig die Aussichten auf eine politische Lösung im Konflikt zwischen der sunnitischen Zentralregierung und den schiitischen Houthi-Rebellen des Nordens.

Wie lokale Medien berichteten, sprengte sich der Attentäter an einem Kontrollpunkt am Eingang des Houthi-Protestcamp im Stadtzentrum in die Luft und riss mindestens 47 Demonstranten mit in den Tod, darunter mehrere Kinder. Der Bombengürtel des Täters war mit Eisenkugeln gefüllt, um die tödliche Wirkung zu erhöhen. Die Zahl der Verletzten geht in die Hunderte.

In einem zweiten Attentat im Süden kamen nahe der Hafenstadt Mukalla in der Provinz Hadramout 21 Soldaten ums Leben. Zuvor hatte die Terrororganisation „Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ zusammen mit sunnitischen Stammesführern Jemens Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi vorgeworfen, gegenüber den schiitischen Hauptstadt-Besetzern zu nachgiebig zu sein. Man werde nun auf eigene Faust gegen die Houthis vorgehen, hieß es drohend.

Vor zwei Tagen schien eine Einigung zwischen Hadi und den Rebellen möglich

Dabei hatte es vor zwei Tagen noch so ausgesehen, als sei auf Vermittlung der Vereinten Nationen eine politische Einigung zwischen Hadi und den Rebellen möglich. Danach sollte der Präsident einen „neutralen und unbelasteten“ Regierungschef als Nachfolger des zurückgetretenen Premiers Mohammed Basindwa ernennen. Im Gegenzug wollten die Houthis aus Sanaa abzuziehen, die Kontrolle wieder an Polizei und Armee übertragen, innerhalb von 45 Tagen ihre Waffen abgeben sowie in ihre Siedlungsgebiete im Norden zurückkehren.

Schiitischen Rebellen protestieren im Jemen. Sie haben in der Hauptstadt Protestcamps errichtet.
Schiitischen Rebellen protestieren im Jemen. Sie haben in der Hauptstadt Protestcamps errichtet.

© dpa

Kaum jedoch hatte Präsident Hadi am Dienstagabend seinen bisherigen Büroleiter Ahmed Awad bin Mubarak als neuen Regierungschef nominiert, war der UN-Vermittlungspakt bereits Makulatur. Rebellenführer Abdulmalik al-Houthi lehnte Mubarak kategorisch ab, so dass dieser bereits Stunden später seine Nominierung niederlegte, „um die nationale Einheit zu schützen und das Land vor einer Teilung zu bewahren“. Auch das jemenitische Parlament beschwor Hadi, seine Entscheidung zu revidieren, weil Mubarak „weder neutral noch unabhängig“ sei. Der umstrittene Politiker stammt aus der Hafenstadt Aden im Südjemen und war Generalsekretär des so genannten „Nationalen Dialogs“, der seit 2012 tagt und eine neue Verfassung sowie eine föderale Struktur für den Jemen ausarbeiten soll.

Jemens chronische Existenzkrise kostet Hunderttausende das Leben

Jemens chronische Existenzkrise hat nationale Ursachen, ist aber auch Spiegelbild der wachsenden Spannungen zwischen sunnitischen und schiitischen Kräften im Nahen Osten sowie zwischen den verfeindeten Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran. Die schiitischen Houthis machen etwa 40 Prozent der 35 Millionen Jemeniten aus. Ihr Verhältnis zur Zentralregierung ist seit mehr als einem Jahrzehnt von Gewalt und Krieg geprägt. Insgesamt sechs Mal zog das Regime des 2012 abgesetzten Langzeitherrschers Ali Abdullah Saleh gegen den aufständischen Norden zu Felde, der sich von der Zentralregierung vernachlässigt fühlt.

Über hunderttausend Menschen kosteten diese Strafexpeditionen das Leben. Vor zwei Monaten dann drehten die schiitischen Rebellen erstmals den Spieß um und marschierten in Richtung Sanaa. Zunächst errichteten sie Protestcamps. Am 21. September schließlich besetzten sie die Hauptstadt mit Gewalt. Mindestens 270 Menschen starben bei den Straßenkämpfen, auch der internationale Flughafen musste zeitweise geschlossen werden.

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