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Jens Spahn war 2012 selbst Teil des Young-Leader-Programms der Atlantik-Brücke. Am Mittwoch hielt er eine Rede vor Teilnehmern des aktuellen Jahrgangs in Schloss Neuhardenburg, Brandenburg.

© Roland Weihrauch/dpa

Jens Spahn über die USA: "Trump spricht wichtige Themen an, über die wir reden sollten"

Anna Sauerbrey hört zu, wie Jens Spahn bei der Atlantik-Brücke über den US-Präsidenten redet. Ein Ortstermin.

Von Anna Sauerbrey

Lang ist es noch gar nicht her, dass Jens Spahn (CDU) selbst ein „Young Leader“ war, ein Teilnehmer des Förderprogramms für junge deutsche und amerikanische Führungskräfte des Atlantik-Brücke e.V., der sich für die transatlantischen Beziehungen einsetzt. 2012 war das, doch die Zeiten waren völlig andere. Spahn war damals ein einfacher Abgeordneter. In den USA regierte Barack Obama. In dieser Woche hat die Atlantik-Brücke wieder deutsche und amerikanische Nachwuchsführungskräfte zu einem einwöchigen Seminar eingeladen. Es ist das 40. Mal, und Jens Spahn hat als Alumnus eine Rede gehalten. In den USA regiert jetzt bekanntlich Donald Trump. Jens Spahn ist mittlerweile Gesundheitsminister und profiliert sich als Konservativer, der die Nähe zu Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und Trumps sehr politischem Botschafter in Berlin, Richard Grenell, sucht.

Jens Spahn bei der Atlantik-Brücke über die transatlantischen Beziehungen: Aus der Gegenwart kein Drama machen

Es ist ein lauer Sommerabend im Garten von Schloss Neuhardenberg in Brandenburg, wo die „Young Leaders“ tagen. Jens Spahn spricht von der Schlossterrasse, auf Englisch, und vielleicht wirkt er deshalb ein bisschen nervös. Die Inhalte allerdings sind klar und thesenstark. Eine Krise in den transatlantischen Beziehungen, vielleicht sogar ein „Abschied vom amerikanischen Zeitalter“, wie es der Historiker Herfried Münkler proklamiert hat? „Wir sollten aus der Gegenwart kein Drama machen“, sagt Spahn. Trotz der Spannungen zwischen Europa und den USA sieht er weiter viele gemeinsame Interessen, konkret nennt er die chinesische Wirtschaftspolitik. „Ich finde ‚China First' immer noch problematischer als ‚America First' oder ‚Britain Alone’“, sagt der Minister.

"Donald Trump spricht durchaus wichtige Themen an, über die wir tatsächlich reden sollten"

Spahn sieht den Erfolg Donald Trumps und populistischer Parteien in Europa vor allem als Ausdruck echter und berechtigter Sorgen der Wähler. „Der erratische Stil ist ein Problem, denn er zerstört Verlässlichkeit und Vertrauen“, so Spahn. „Aber Donald Trump spricht durchaus wichtige Themen an, über die wir tatsächlich reden sollten.“ Die Hauptursache für die Sorgen jener Wähler, die Trump und andere Populisten stark gemacht haben, sieht Spahn in der Migration. „Der Brexit und der Zerfall des Parteiensystems in Frankreich wären nicht passiert, gäbe es nicht die Migration und die Nicht-Integration von zu großen Teilen der Einwanderer aus dem Nahen Osten und Nordafrika.“ Viele in Europa würden das Erstarken der Populisten auf soziale Fragen zurückführen. „Das glaube ich nicht: Theoretisch könnten wir die Sozialausgaben verdoppeln, ja verdreifachen und es würde nichts ändern.“ Es gehe eher um kulturelle Sicherheit.

Geschäftsführer der Atlantik-Brücke Deißner: Es gibt eine "pragmatische Wende"

Spiegelt Spahn damit die Stimmung in der Atlantik-Brücke insgesamt? David Deißner, Geschäftsführer der Atlantik-Brücke sagt, er sehe, dass viele Mitglieder sich für eine „pragmatische Wende“ aussprächen. „Der Tenor ist: Lasst uns aufhören, zu lamentieren, und dort zusammenarbeiten, wo es möglich ist.“ Es gebe auch eine große Bereitschaft und konkrete Bemühungen der Atlantik-Brücke, Fragen der sozialen Ungleichheit, globale Entwicklungen sowie Angstszenarien und Unsicherheiten in der Bevölkerung stärker zu diskutieren, gerade auch mit Mitgliedern konservativer Gruppierungen innerhalb der republikanischen Partei. Man regionalisiere die Arbeit und spreche neben Führungskräften auch andere Gesellschaftsgruppen an – zum Beispiel mit einem seit 30 Jahren bestehenden Austauschprogramm für Lehrer, das heute wichtiger sei denn je.

Auch in den Diskussionen der „Young Leader“ spielt das verlorene Vertrauen in die Demokratie eine große Rolle. Hoffnung setzen viele in die Zivilgesellschaft und die Regionen. Die Rede des Ministers stieß allerdings unter den deutsch-amerikanischen Nachwuchskräften auf ein geteiltes Echo. Spahns kritische Haltung gegenüber Menschen aus muslimisch geprägten Ländern erinnerte manch amerikanischen Teilnehmer an die US-Debatte um den „travel ban“, um Trumps Einreisebeschränkugen für Menschen aus muslimischen Ländern. „So etwas hätte ich in Deutschland nicht erwartet“, sagte eine Teilnehmerin.

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