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Politik: Jenseits der Planwirtschaft

Von Susanne Vieth-Entus

Wem wäre nicht nach einer schönen Geschichte zumute in diesen Vorweihnachtstagen? Nach einer Geschichte von Rettung aus der Not, nach einer Geschichte mit leichten Antworten auf schwierige Fragen und einem wohl tuenden Schluss.

Für alle, die sich heute aus der Schule in die Weihnachtsferien verabschieden, müsste die Geschichte ungefähr so lauten: „ … und da erwachte der Finanzsenator aus einem tiefen Traum, er rief den Senat zusammen, und man beschloss einträchtig, 1000 neue Lehrer einzustellen. Von da an fiel nie wieder eine Stunde Unterricht aus, alle waren guter Dinge, und die nächste Pisa-Runde wurde zum Kinderspiel.“

Zwischen diesem Traum und der Wirklichkeit steht eigentlich nicht viel: Die Nachwuchspädagogen wären – noch – da, die Eltern würden sich freuen und die Schüler hätten bessere Chancen, all die Vergleichsarbeiten und Zentralprüfungen der kommenden Jahre zu schaffen. Nur leider, ach, es hapert an lächerlichen 50 Millionen Euro pro Jahr, die 1000 Lehrer eben kosten würden. Das Geld ist schlicht nicht da. Und es wird auch so schnell nicht mehr da sein. Zur Erinnerung: Berlin hat allein in diesem Jahr rund 30 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren. Nach allem, was wir heute wissen, geht es finanziell bergab und nicht bergauf in dieser Stadt.

Es bleibt also nichts anderes übrig, als mit dem, was man hat, optimal hauszuhaten. Was aber hat man? Zurzeit sind das ungefähr 23 000 Lehrer plus 1600 in Reserve, von denen aber die Hälfte dauerhaft krank ist. Mit den verbleibenden 800 Kräften gelingt es nicht, den Unterrichtsausfall zu verhindern, wie zahllose Beispiele aus den Schulen belegen. Zu unflexibel ist das ganze System, das aus einer zentral gelenkten Personalzuteilung besteht. Und zu einfach ist es für die Schulen, einfach auf „die da oben“ zu verweisen, wenn wieder Unterricht ausfällt.

Schon vor zwei Jahren verkündete das neue Schulgesetz „mehr Eigenverantwortung für die Einzelschule“. Aber noch immer ist es ihnen nicht einmal möglich, für wenige Stunden pro Woche Ersatzlehrer einzukaufen. Stattdessen müssen sie tage- oder wochenlang auf einen Anruf „aus dem Amt“ warten, das ihnen irgendwann mitteilt, ob der gesuchte Mathematik- oder Lateinlehrer nun kommt oder nicht. Wer aber so lange auf Nachschub warten muss, der gibt ihn so schnell nicht wieder her. Auch dann nicht, wenn er plötzlich zu viel Personal haben sollte. Denn für diese Zusatzkosten muss nicht die einzelne Schule aufkommen, sondern das gesamte System. So funktioniert Planwirtschaft. Und so organisiert man Verantwortungslosigkeit. Und wundert sich dann, wenn Unterricht ausfällt.

Dabei wäre es ganz einfach, ein flexibles und preiswertes System von Vertretungsunterricht zu schaffen. Erfolgreiche Pisa-Länder wie Kanada machen das vor: Jede Schule erhält ihr eigenes Personalbudget und finanziert damit nicht nur die regulären Kräfte, sondern auch eine „Feuerwehr“ für Notlagen. Diese „Feuerwehr“ wird bestückt aus: Lehramtsstudenten, (früh-) pensionierten Pädagogen und aus Teilzeitlehrern, die ab und an etwas dazuverdienen wollen. Jede Schule in Kanada hat eine Kartei mit solchen Kräften. In Berlin gab es in diese Richtung bislang nur halbherzige Vorstöße.

Angesichts des absehbaren Lehrermangels in ganz Deutschland, aber auch der leeren Kassen werden sich alle Bundesländer auf ein flexibleres System einstellen müssen. Dazu gehört nicht nur die „Feuerwehr“. Dazu gehört auch ein Ausweichen auf neue Technologien. Weltweit gibt es schon gute Erfahrungen mit E-Learning für Schüler. In Deutschland ist diese Art des Selbststudiums bisher nur in der Wirtschaft üblich. Zu Unrecht. Eine gute Internetschule ist allemal besser als das Herumlungern im Kaufhaus, wenn der Lehrer krank ist.

Vieles ist möglich, wenn die Milliarde Euro, die jährlich in Berlins Schulen fließt, optimal eingesetzt würde. Jammern hilft nicht weiter – und mit Wünschen ist es auch nicht getan. Nicht einmal zur Weihnachtszeit.

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