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Politik: Jenseits von Kabul

Die USA wollen mit Briten und Franzosen eine zweite Friedenstruppe für Afghanistan aufstellen. Sie soll landesweit tätig sein

Das Drängen des afghanischen Premiers Hamid Karsai auf eine größere Friedenstruppe scheint sich gelohnt zu haben. Unmittelbar vor der zweiten Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn verlautete aus Londoner Regierungskreisen, die USA wollten mit britischer und vielleicht auch französischer Hilfe in bis zu sechs afghanischen Städten kleine Friedenskontingente stationieren. Großbritannien soll britischen Presseberichten zufolge bereits seine Zustimmung signalisiert haben.

Schon im Dezember diesen Jahres soll ein erstes US-Kontingent von 150 Soldaten in der Stadt Gardez, zwei Autostunden südlich von Kabul, stationiert werden. Ab Januar würde der Plan dann auf Bamian und Kunduz, später auf die wichtigen Regionalzentren Herat, Jalalabad und Masar-i-Sharif ausgedehnt werden.

Karsai hatte zwar stets für eine Ausdehnung des Mandats der von 22 Nationen getragenen Isaf-Friedenstruppe auf ganz Afghanistan plädiert, die neue Truppe würde aber ebenfalls der wachsenden Sorge über eine Rückkehr der „Warlords“ Rechnung tragen und gleichzeitig die Autorität des Präsidenten in den Machtzentren außerhalb Kabuls stärken.

Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ warnte erst kürzlich, der Wiederaufbau des Landes und die Rückkehr von Flüchtlingen seien gefährdet, wenn die internationale Friedenstruppe wie bisher auf die Hauptstadt Kabul beschränkt bleibe. Die Europäische Union plant allerdings, im April kommenden Jahres mit der Rückführung der rund 400 000 Flüchtlinge aus Afghanistan zu beginnen.

Die an dem „City Plan“ beteiligten Truppen sollen unabhängig und zusätzlich zu den mehreren Tausend amerikanischen und rund 400 britischen Soldaten, die weiter nach versprengten Resten von Taliban und Al Qaida im Land suchen werden, operieren. Die kleinen Kontingente von kaum mehr als 150 Soldaten würden mit humanitären Organisationen zusammenarbeiten, lokale Gruppen entwaffnen oder sich an der Ausbildung der afghanischen Armee beteiligen. „Die Warlords sollen verstehen, dass ihre Zukunft in einem vereinten Afghanistan liegt", wird eine britische Regierungsquelle zitiert. Man wolle auch demonstrieren, dass der Westen es mit seinem langfristigen Engagement für Afghanistan ernst meine.

Der von den Vereinigten Staaten entwickelte Plan ist auch ein Hinweis auf das allmähliche Umdenken in Washington. Die Amerikaner hatten sich in den ersten Wochen nach ihrer erfolgreichen Offensive gegen die Taliban zunächst nicht auf ein langfristiges Engagement beim Wiederaufbau der afghanischen Staatsstrukturen festlegen wollen. Sie sahen hier vor allem die Vereinten Nationen in der Pflicht. In der vergangenen Woche jedoch bekannte sich der amerikanische Oberkommandierende des „Kriegs gegen den Terror", General Tommy Franks, deutlich zur amerikanischen Verantwortung für Afghanistan: „Eine Menge ist schon getan. Aber wir werden so lange bleiben wie nötig, um sicher zu sein, dass der Terrorismus nicht wieder von Afghanistan Besitz ergreift."

Matthias Thibaut

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