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Jerusalem

© AFP

Jerusalem: Die Rache der Hamas?

Das Attentat in Jerusalem bringt die Friedensgespräche in Gefahr – doch Israel will weiter verhandeln.

Aus der Vermutung ist am Freitag Gewissheit geworden: Der Anschlag auf die jüdische Religionsschule Mercas Harav in Jerusalem geht auf das Konto der Hamas, wie ein Sprecher der Organisation bestätigte. Allerdings zog ein anderer Sprecher dieses Bekenntnis wenige Stunden später wieder zurück. „Diese Ehre fällt uns vorerst nicht zu“, sagte der Chefintendant des Hamas-Radiosenders Ibrahin Daher.

Acht Studenten hatte der Attentäter mit seiner Waffe getötet, bevor ein Soldat ihn erschoss. Der 25-jährige Einzeltäter hatte den Ort mit Bedacht ausgewählt. Es handelt sich um mehr als nur um eine große Talmud-Schule. Vielmehr bildet sie das ideologische Zentrum der Nationalreligiösen und somit einen Kern der militanten Siedlerbewegung. Umso mehr überrascht, dass das orthodoxe Religionszentrum unbewacht war, und der Täter unbehelligt eindringen konnte. Die Behörden verschärften die Sicherheitsvorkehrungen in Jerusalem und an der Grenze zum Westjordanland am Freitag massiv. In Jerusalem waren tausende Polizisten im Einsatz, um die Beerdigung der erschossenen Religionsschüler im Alter von 15 bis 26 Jahren zu schützen.

Das Blutbad stellt wie der anhaltende Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen und der tödliche Anschlag auf einen Armeejeep an dessen Grenze einen Racheakt für die schweren Verluste dar, die die israelische Armee am Wochenende bei ihrem Vorstoß nach Dschabalija den Palästinensern und insbesondere der radikalislamischen Hamas zugefügt hatte. Bereits der Vater des Attentäters gilt als aktiver Hamas-Anhänger, und über dem Trauerzelt für den Getöteten flatterten Hamas- und Hisbollah-Flaggen. Die Jubelszenen in Gaza zeigen zudem, dass der Anschlag von der gesamten, unter der israelischen Blockade notleidenden Bevölkerung als geglückte Rache verstanden wurde.

Vier Jahre nach dem letzten großen Anschlag in Jerusalem wütet der Terror wieder in der israelischen Hauptstadt; er bringt Trauer und Leid, verunsichert die politisch Verantwortlichen. So haben die Nationalreligiösen erwartungsgemäß die sofortige Einstellung aller Verhandlungen mit den Palästinensern verlangt. Diese sind ohnehin unterbrochen, sollten aber demnächst wieder aufgenommen werden. Israel will daran festhalten: Die gemäßigten Palästinenser sollten nicht für die Tat eines Extremisten bestraft werden, verlautete aus Regierungskreisen.

Dennoch stellt sich die Frage einer militärischen Reaktion. Der Täter stammt aus dem annektierten und deshalb israelischer Kontrolle unterstellten Ostjerusalem. Er besaß somit einen israelischen Personalausweis und lebte westlich der umstrittenen Trennmauer, die das Westjordanland vom israelischen Territorium trennt. Ministerpräsident Ehud Olmert hatte diese Woche erklärt, dass Israel im Falle einer Terrorattacke aus dem Gazastreifen unbarmherzig und ohne Rücksicht auf Verhandlungen reagieren werde. Doch eine Stellungnahme zu einem formell von israelischem Territorium ausgehenden Anschlag, wie nun geschehen, gab und gibt es nicht. Eine größere Militäraktion gegen den Gazastreifen wäre, darüber sind sich die Experten einig, kaum politisch erklärbar, im Westjordanland ist sie praktisch unmöglich.

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