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Politik: Jetzt darf gespart werden

Von Ursula Weidenfeld

Die neue Botschaft hätte durchaus Potenzial, frisches Entsetzen über das Land zu bringen: Deutschland verbraucht mehr Geld, als es erwirtschaften kann. Viel mehr als erwartet. Statt zu schrumpfen, wächst das gesamtstaatliche Defizit auf vier Prozent. Obwohl Hunderttausende demnächst weniger Unterstützung vom Staat bekommen werden. Obwohl Millionen schon seit Januar mehr für den Arztbesuch und ihre Medikamente bezahlen müssen. Obwohl die Rentner zum ersten Mal in der Geschichte des Landes eine reale Rentenkürzung haben hinnehmen müssen. Reicht das denn immer noch nicht? Die bittere, nüchterne Antwort ist: Nein.

Es hat noch nicht einmal richtig angefangen mit dem Sparen. Denn auch das zeigen die aktuellen Zahlen: Trotz Sparkurs und trotz Haushaltskonsolidierung wachsen die Ausgaben der öffentlichen Haushalte in diesem Jahr. Wie in allen Jahren zuvor. Statt sich gefälligst den Zumutungen und Einschnitten anzupassen, die der Einzelne schon heute als so belastend empfindet, dass er dagegen empört auf die Straße geht.

Doch der Schrecken über die neuesten Daten hält sich in Grenzen. Wahrscheinlich glaubt keiner mehr, dass es noch schlimmer kommen kann. Niemand traut dieser Regierung die Kraft zu, so etwas wie Hartz IV noch einmal durchzupauken. Und heimlich denken wohl alle, dass jetzt lieber die Enkelgeneration ein bisschen belastet werden könnte, anstatt noch mehr auf die Schultern der heute Betroffenen zu laden. Mehr Schulden sind doch nicht so schlimm.

Das ist falsch, und es ist unverantwortlich. Genauso falsch wie die Argumente von Hans Eichel. Der argumentiert jetzt wieder, man dürfe im Abschwung nicht noch mehr sparen. Eichel verschweigt, dass die Wirtschaft in diesem Jahr mit rund zwei Prozent wachsen wird. Dass jetzt also gespart werden müsste, wenn er es wirklich ernst meinte. Schon in wenigen Wochen wird stattdessen die Verzweiflung der Haushaltspolitiker öffentlich sichtbar werden. Sie werden aufs Neue über Steuererhöhungen reden, sie werden sich wieder einmal am Subventionsabbau versuchen, sie werden versprechen, die staatseigenen Unternehmen schneller zu verkaufen. Und am Ende werden sie wieder vor der Entscheidung stehen, ob sie nicht doch mehr Schulden machen wollen.

Die spannende Frage: Ist der Aufschwung bis dahin stark genug, dass erste Belohnungen für die Strukturreformen sichtbar werden? Die Reformrendite, auf die alle verzweifelt warten – die sich in Form von mehr Arbeitsplätzen, von stärkerem Wirtschaftswachstum und von mehr Optimismus bemerkbar machen soll? Dann nämlich würden auch weitere Sparanstrengungen die Laune nicht noch weiter in den Keller schicken. Wenn man zuversichtlich ist, nicht arbeitslos zu werden, oder hoffnungsvoll, schnell einen neuen Job zu finden, muss man nicht jeden Euro sparen. Für die Binnenkonjunktur wäre das die beste Nachricht: Menschen, die ihr Geld wieder ausgeben, obwohl der Staat seinen Verbrauch einschränkt. Erste Anzeichen für diese Belohnung sind erkennbar. Die Schwarzarbeit geht zurück, die Menschen suchen intensiver nach Arbeit, es entstehen schneller neue Jobs, der Konsum zieht zum ersten Mal seit 2003 wieder an, kaum messbar, aber immerhin.

Vielleicht haben sie ja diesmal Glück, der Kanzler, sein Wirtschafts- und sein Finanzminister. Und das Land. Nach so viel Pech. Hätten sie es verdient? Na ja. Aber schön wäre es doch.

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