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Politik: Jetzt nur nicht die Nerven verlieren

WASHINGTON .Joschka Fischer wird am Montag und am Dienstag in Washington sein.

WASHINGTON .Joschka Fischer wird am Montag und am Dienstag in Washington sein.Robin Cook drückt ihm die Klinke in die Hand - der britische Außenminister-Kollege flog gerade zurück nach London.Cook nutzte seine Visite, um anzukündigen, die Nato werde ihre Bodentruppen in Mazedonien verstärken.

12 000 sind da, London schickt gerade weitere 2500.Nato-Oberbefehlshaber Clark kämpft derweil dafür, daß der Friedenstruppe 50 000 Mann angehören werden.Cook und Madeleine Albright stehen dahinter, das Pentagon auch."Wir müssen auf jeden Fall planen und vorbereiten, egal ob das Umfeld geeignet oder ungeeignet ist", sagt Cook.Und er hat eine neue Formulierung zur Vermeidung der leidigen Bodentruppenfrage gefunden: "Wir wollen keinen Bodenkrieg, wir verhindern, daß Jugoslawien einen führen kann - und dann gehen wir rein." Und Deutschland? Beobachter in Washington sind sich einig, daß weniger Kanzler Schröders klares Nein zu Bodentruppen überrascht als die unverhohlene Drohung, einen entsprechenden Nato-Beschluß zu blockieren.Die "New York Times" widmete dem brüsken Nein eine ganze Sonderseite - Überschrift: "Allianz tief gespalten." Cook und Albright sahen es anders: "Wir sind uns sicher, daß Deutschland Teil eines Konsenses der Nato sein will." Und welcher Konsens wird das sein? Kommende Woche soll dies in Brüssel entschieden werden, auf der Grundlage der Washingtoner Gespräche.

Parallel zu europäischen Umfragen sinkt auch in den USA die Zustimmung zum Kosovo-Krieg.Während noch vor zwei Wochen eine Zweidrittelmehrheit den Einsatz begrüßte, halten sich jetzt Gegner und Befürworter die Waage.Zwei neue Umfragen liefern auch gleichlautende Ergebnisse zur Gretchenfrage Bodentruppen.In den ersten Kriegswochen stieg die Zahl der Befürworter von gut 50 auf gut 60 Prozent.Jetzt bejahen noch 38 Prozent der Amerikaner ein Freikämpfen des Kosovo gegen serbischen Widerstand.41 Prozent sind dagegen.

Auch über die Gründe der abflachenden Sympathie liefern die Umfragen Anhaltspunkte.Am drastischsten ging die Bejahung der Nato-Angriffe unter jenen zurück, die am meisten über Kollateralschäden besorgt sind.Wenn die chinesische Botschaft, Dörfer oder Flüchtlingstrecks bombardiert werden, verfehlen die Bilder ihre Wirkung nicht.Von den Menschenrechtsverletzungen der anderen Seite fehlen Bilder.

Zum Erlahmen des US-Kriegswillens tragen zwei weitere Faktoren bei.Für die Allgemeinheit ist kein Fortschritt sichtbar.Ob nun 37 oder 42 Prozent der jugoslawischen MIGs zerstört sind, ist unwesentlich für die Unterstützung, die Bill Clinton für Bodentruppen bräuchte.Und dann gibt es noch den Kongreß.Seit Wochen bekommen die Amerikaner von ihren Repräsentanten Töne zu hören, die in Deutschland nur ganz wenige so anschlagen: Keines der Kriegsziele des Westens sei bislang erreicht worden, umgekehrt habe Milosevic selbst Ziele erreicht, die zu erhoffen selbst ihm zu kühn erschienen sein mag.Er sitzt fest im Sattel, die Opposition ist still, Moskau und Peking stehen vereint gegen die Nato, die Kosovo-Albaner sind vertrieben.Gut ein Jahr vor den nächsten Wahlen will sich kein US-Politiker an "Clintons Krieg" die Finger schmutzig machen.

Momentan sind daher alle auf Tauchstation gegangen.Außer Durchhalteparolen gibt es auch wenig Neues von Außenministerin Albright.Der Umfragewerten gegenüber hypersensible Clinton hat sich längst wieder der Innenpolitik zugewandt.Er hält Reden zu Schul-Schießereien und Waffenkontrolle.Der Krieg läuft auf Auto-Pilot - ein Rennen gegen die Zeit."Es geht nur noch darum, wessen Auseinanderfallen schneller geht, das des Milosevic-Regimes oder das der Nato", hat ein hoher Beamter im State Department der "Washington Times" gesagt.Robin Cook jedenfalls riet: "Wir sollten jetzt nicht die Nerven verlieren." Russen und Chinesen und damit die UN sind noch längst nicht an Bord, Milosevic offenbar weit von einer Kapitulation entfernt, die Regierungen der Nato-Staaten kaum mehr im Einklang mit der Mehrheitsmeinung in den Ländern - gedämpfte Alarmstimmung macht sich breit.

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