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Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine

© dapd

Politik: Jetzt schauen alle auf Lafontaine DIE LINKEN

Für die Linke hat es wieder nicht gereicht. Nun warten die Genossen darauf, dass der Saarländer die Hängepartie um den Parteivorsitz beendet.

Von Matthias Meisner

Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte ist die Linkspartei am Sonntag aus einem Landesparlament geflogen. Eine Woche nach dem krachenden Scheitern der PDS-Nachfolgepartei bei der Wahl in Schleswig-Holstein, bei der sie nur auf 2,2 Prozent der Stimmen kam, hat es auch in Nordrhein-Westfalen nicht gelangt. Die Niederlage wird die Diskussionen auch über die schwache Bundesführung anheizen. Offen ist allerdings, ob der frühere Vorsitzende Oskar Lafontaine nun gleich zu Wochenbeginn bekannt gibt, ob und wie er der Linken als möglicher Retter in der Not zur Verfügung steht.

Eigentlich war Nordrhein-Westfalen einmal eine Wiege für den Erfolg der Linken im Westen. Noch bei der Landtagswahl im Mai 2005 waren die aus Protest gegen Gerhard Schröders Agenda 2010 gegründete WASG und die alte PDS getrennt voneinander angetreten, die WASG kam damals auf 2,2 Prozent, die PDS auf 0,9 Prozent der Stimmen. Wenige Tage nach dieser Landtagswahl verkündete Lafontaine seinen Austritt aus der SPD und brachte gemeinsam mit dem PDS-Politiker Gregor Gysi das Projekt Linksbündnis ins Rollen. Der ehemalige SPD-Parteichef Lafontaine kandidierte dann im September 2005 auf Platz eins der Linken-Landesliste Nordrhein-Westfalen, seine neuen Genossen kamen im größten Bundesland auf 5,2 Prozent. Einige Jahre lang ging es dann für die Partei steil aufwärts. Ihren größten Erfolg erreichte sie bei der Bundestagswahl 2009, bundesweit kam sie damals auf 11,9 Prozent, in NRW auf 8,4. Danach war das Stimmungshoch nicht mehr zu halten. Bei der Wahl zum Düsseldorfer Landtag im Mai 2010 reichte es nur noch für 5,6 Prozent – doch immerhin für eine spannende Rolle. Erst die Unterstützung der Linken machte es möglich, dass die rot-grüne Minderheitsregierung unter Hannelore Kraft ihre Geschäfte überhaupt aufnehmen konnte.

In die Rolle eines festen Tolerierungspartners, so, wie es die PDS für die vom SPD-Politiker Reinhard Höppner von 1994 bis 2002 geführte Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt war, schlüpfte die Linke in Nordrhein-Westfalen allerdings nie. Kraft setzte mit Erfolg auf wechselnde Mehrheiten. Die Linke verzichtete auf Fundamentalopposition, doch SPD und Grüne im Landtag ließen sie immer weniger punkten. Was die Linke ihren Anhängern bringt, konnte sie immer weniger klarmachen – vor allem von Arbeitern und Arbeitslosen war die Partei 2010 überproportional gewählt worden. Hinzu kam, dass es sich in Nordrhein-Westfalen wie im Westen der Republik überhaupt um eine – anders als im Osten – wirklich neue Partei handelt. Schon vor einem Jahr analysierte der Linken-Stratege Horst Kahrs: „Niedrige Wiederwählerquoten sind das Schicksal jeder neuen Partei, die sich aus der Wählerschaft anderer Parteien speist.“

Diskutiert wird, ob Lafontaine vor dem Hintergrund der schwierigen Ausgangslage diesmal etwas hätte retten können, wenn er vor dem Wahltermin Klarheit über die künftige Parteiführung ermöglicht hätte. Sie soll Anfang Juni auf einem Parteitag in Göttingen gewählt werden. Sowohl die Genossen in Schleswig-Holstein als auch in NRW hätten sich eine Klärung der Personalfragen vor dem Wahltermin gewünscht. Doch Lafontaine tat zusammen mit seinen Verbündeten alles, um Vorentscheidungen hinauszuzögern. Schon zu Jahresanfang wandte er sich gegen Pläne für eine Mitgliederbefragung zur Parteiführung – als die Bundesschiedskommission kürzlich entschied, dass sie eigentlich hätte stattfinden müssen, war es zu spät. Vorgegeben ist in jedem Fall eine Doppelspitze mit mindestens einer Frau. Mit welcher Genossin Lafontaine antreten würde, lässt er offen. Die bisherige Vorsitzende Gesine Lötzsch war im April zurückgetreten. Aber auch Lafontaines bisher einziger erklärter Konkurrent Dietmar Bartsch hat noch keine Polit-Partnerin. Wenn etwas sicher ist, dann das: Ihn will Lafontaine nicht zum Vorsitzenden gewählt wissen, selbst ein denkbares Comeback von Bartsch als Bundesgeschäftsführer wäre dem Exchef eine Nummer zu groß. Auch eine Doppelspitze mit Bartsch und Lafontaines Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht wurde aus dem Umfeld Lafontaines für undenkbar erklärt. Noch-Parteichef Klaus Ernst lässt seine Wiederbewerbung offen.

Für diesen Montag haben die Landeschefs nach Berlin geladen, um Personalfragen zu klären, tags darauf konferiert eine weitere Spitzenrunde im Karl-Liebknecht-Haus. Erste Regionalkonferenzen zur Vorbereitung des Göttinger Parteitages – sie hätten am Montag in NRW und am Dienstag in Hamburg stattfinden sollen – wurden abgesagt.

Vielleicht mag Lafontaine auch seinen Putsch gegen Rudolf Scharping von 1995 auf dem Mannheimer SPD-Parteitag wiederholen. „Wenn wir selbst begeistert sind, können wir auch andere begeistern“, rief er damals vor seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden. Damals schrieb er Politikgeschichte. Jetzt ist er 68 – und viele Linken-Genossen sind unsicher, ob der Senior sie aus der Krise führen kann.

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