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Jim Messina, ehemaliger Wahlkampfmanager von Barack Obama, soll die SPD im Wahlkampf 2016 beraten.

© EPA/KAMIL KRZACZYNSKI/dpa

Jim Messina: SPD will Obamas Wahlkampfmanager einkaufen

Erst mal ist David Cameron dran. Aber nach dem britischen Premier wollen die deutschen Sozialdemokraten ihn haben. Die SPD verhandelt mit dem US-Wahlkampfmanager Jim Messina für seine Dienste 2016.

Von Anna Sauerbrey

2012 brachte er Obama wieder an die Macht. 2016 soll er die SPD retten. Das Willy-Brandt-Haus verhandelt zurzeit mit dem amerikanischen Wahlkampfmanager Jim Messina über eine Verpflichtung. Ein Sprecher von Parteichef Sigmar Gabriel bestätigte am Wochenende auf Anfrage des Tagesspiegels einen entsprechenden Bericht des „Spiegel“.

Messina individualisierte den Obama-Wahlkampf

Für die SPD, aber auch für Polit-Deutschland insgesamt wäre es nicht weniger als eine Revolution, sollte Messina die Techniken aus dem zweiten Obama-Wahlkampf hierzulande auch nur in Ansätzen umsetzen. In Deutschland sind die Mittel der Wahl noch immer Umfragen, Plakatkampagnen und Stände in Fußgängerzonen. Messina hingegen arbeitete mit riesigen Datenbergen, Computersimulationen und individueller Ansprache über soziale Netzwerke. Während die SPD 2013 noch mit dem Slogan warb „Das Wir entscheidet“ und nach Themen suchte, die für möglichst große Gruppen relevant sind, begab sich Messina 2012 in den U.S.A. auf die Mikroebene. Er überlegte, was aus Obamas Portfolio eine ganz bestimmte Gruppe von Wählern überzeugen könnte – und auf welchen Wegen er sie damit bespielen könnte. Wahlkampf individuell.

Computersimulationen und eine gigantische Datenbank waren das Geheimnis des Erfolgs

100 Millionen Dollar investierte Messinas Wahlkampfteam in leistungsstarke Hardware und Simulationssoftware. Grundlage aller Aktionen war eine gigantische Datenbank, gefüttert mit Daten aus den Wählerregistern der Demokraten, Daten aus der 2008er-Obama-Kampagne wie die Social-Media-Kontakte seiner Anhänger, Umfragedaten, Daten aus Spendensammelungen, aus dem Straßenwahlkampf und aus kommerziellen Konsumentendatenbanken, die hinzugekauft wurden. Kenne man Basisdaten wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Wohnort und bisherige Wahlentscheidungen, sagte später ein Team-Mitglied dem Magazin „Time“, könne man zukünftige Wahlentscheidungen mit 75-prozentiger Wahrscheinlichkeit voraussagen. Und: „Konsumentendaten runden das Bild ab.“ Aus den Daten bastelte das Team digitale Testbevölkerungen, an denen es in Computersimulationen verschiedene Themen ausprobierte – und zwar tagesaktuell. Jeden Morgen wurde dann neu über die Verteilung des Wahlkampfhaushaltes entschieden. Am Ende sagte das Team den tatsächlichen Wahlausgang für alle bis auf einen Staat mit unter 0.4 Prozentpunkten Abweichung voraus.

Messina ist ein Politik-Nerd

Jim Messina war seit seinen College-Jahren als Berater und Wahlkampfmanager für eine ganze Reihe von demokratischen Senatoren tätig. Unter Obama wurde er „Deputy White House Chief of Staff“, so etwas wie ein stellvertretender Kanzleramtsminister. Doch auch aus seinen Social-Media-Daten ließe sich (natürlich!) leicht auf seine politischen Vorlieben schließen. Auf seinem Twitter-Account begegnet einem ein sympathischen Typ mit einem guten Musikgeschmack (Pop, „The War on Drugs“), der dieses Jahr zum ersten Mal beim Super-Bowl-Finale war (Selfie), ein glühender Obama-Anhänger und Politik-Nerd, der jeden Tag einen „Fact of the Day“ liefert, der meist auch gut zu einer sozialdemokratischen Weltsicht passt (frühkindliche Bildung zahlt sich aus). Er hat in Montana studiert und liebt die Natur.

2016 soll er für die SPD kämpfen, aber erst einmal ist David Cameron dran

Dennoch scheint Messina zumindest professionell politisch flexibel zu sein. Zurzeit kämpft er unter der Fahne der Torys in Großbritannien für David Cameron. Dafür pendelt er zwischen den USA und London. Auf Twitter schreibt er: „Ich liebe den Sonntagabend-Flug nach London. Ein Glas Wein, essen, schlafen, aufwachen, anfangen zu arbeiten.“ Wie sich das Aufwachen in Berlin mit seinem deutschen Datenschutzrecht, seinem Verhältniswahlrecht, seinen vergleichsweise schmalen Wahlkampfhaushalten und seiner Technikphobie wohl für einen wie Messina anfühlen wird?

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