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Mann für Kunst und Kirche. Der Hamburger Hauptpastor Johann Hinrich Claussen.

© epd

Johann Hinrich Claussen: Fromm, fröhlich, evangelisch

Der neue Kulturbeauftragte der evangelischen Kirche will Künstler für den Glauben begeistern und sich irritieren lassen

Talar und weiße Halskrause müssen sein, wenn Johann Hinrich Claussen auf die Kanzel von St. Nikolai in Harvestehude steigt. Beides sind Relikte aus früheren Jahrhunderten, doch der Hauptpastor macht sich gerne die Mühe, Unter- und Oberkleid anzuziehen und allein am Unterkleid 17 Knöpfe zu knöpfen – wegen der Zehn Gebote und der sieben Bitten im Vaterunser. Anders als Pfarrerkollegen, die in den 80er Jahren über Friedensmärsche und Anti-Atomkraft-Debatten in die evangelische Kirche hineinsozialisiert wurden und wenig auf Äußerlichkeiten achten, legt der 51-jährige Claussen Wert auf traditionelle Formen. Denn sie geben einen Rahmen, der den Kopf frei mache für Neues und Ungewohntes, sagte er einmal.

Claussen gehört zu einer neuen Generation frommer und konservativer Boys in evangelischen Führungsämtern, die Traditionsbewusstsein mit Kreativität, Eloquenz und Offenheit für säkulare Fragen reibungslos verbinden können. Sie füllen den viel beschworenen Kulturprotestantismus mit neuem Leben. Claussen bringt also gute Voraussetzungen mit für das neue Amt, das er jetzt übernommen hat: Er ist Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Leiter des Kulturbüros der EKD in Berlin. Seine Vorgängerin, die Theologin Petra Bahr, knüpfte von 2006 bis 2014 sehr erfolgreich Verbindungen zwischen der Kirche und der Kulturszene und wechselte vor einem Jahr zur Konrad-Adenauer-Stiftung. Dort leitet sie die Hauptabteilung Politik und Beratung.

Er erforschte, was glücklich macht

Claussen stammt aus dem Hamburger Großbürgertum, studierte Theologie in Hamburg, Tübingen und London. Seine Doktorarbeit schrieb er über die Jesus-Deutung von Ernst Troeltsch, seine Habilitation über „Glück und Gegenglück“. Wenn er nicht in St. Nikolai predigt, schreibt er Kolumnen für Zeitungen und backsteindicke Bücher. Seine Geschichte der Kirchenmusik wurde von den Feuilletons genauso gelobt wie von Harald Schmidt. Auch seine Geschichte der sakralen Architektur kam gut an. Kirchenaustritte und andere Traditionsabbrüche verursachen ihm keine Schweißausbrüche. Er sieht sie als Chance für Veränderungen.

Die Kirche brauche den Heiligen Geist mindestens genauso wie die Gesellschaft drumherum, predigte er an Pfingsten. „Dafür müssen wir unsere Selbstverständlichkeiten hinter uns lassen, uns irritieren lassen von unseren eigenen Zweifeln und den Fragen unserer Mitmenschen. Damit wir offen werden für den Geist Gottes, wenn er kommt.“

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