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Politik: Joschka Fischer: Bismarck, Stresemann, Genscher. Und nun?

Am Anfang waren seine Schritte noch tastend. Als er den Kranz in Warschau niederlegte, als er mit seinem polnischen Amtskollegen sprach.

Am Anfang waren seine Schritte noch tastend. Als er den Kranz in Warschau niederlegte, als er mit seinem polnischen Amtskollegen sprach. "Dünnes Eis", sagte er seinerzeit nachdenklich, "das mit jedem Tag und jedem Termin dicker wird." Das war der zweite Tag im Amt, mit dem sich sein größter politischer Wunsch erfüllte. Da hatte er morgens die Nachrichten gehört, und als vom Außenminister die Rede war, noch automatisch den Namen Klaus Kinkel ergänzt.

Jetzt, bald zwei Jahre später, passiert Joschka Fischer das nicht mehr. Termine, Termine, Reisen und Reden in aller Welt. Er bewegt sich lässig auf internationalem Parkett, flirtet mit "Madeleine", der amerikanischen Außenministerin Albright, flaniert mit "Hubert", dem französischen Kollegen Védrine. Mit "Robin", dem britischen Minister Cook, verstand er sich von Beginn an gut. Bei ihm gab es nicht den Dünkel zu überwinden, dass der deutsche Kollege ein ehemaliger Taxifahrer mit abgebrochener Berufsausbildung ist.

So vieles hat sich an ihm verändert. Der Habitus ist wieder anders geworden, der Umgang, die Figur auch ein bisschen, die Haare sind grauer. Und das Gesicht - immer betont sorgenzerfurcht. Nur eines hat sich nicht geändert: der Vorname. "Joseph", auf diesen Namen ist er getauft, und so wollten sie ihn im Ministerium auf den offiziellen Briefbögen nennen. Das ließ Joschka nicht zu. Und Madeleine erinnerte sich an ihren Vater, der auch so geheißen hat.

Nun, nach zwei Jahren, ist er sich seiner Sache sicher. Er fühlt sich inhaltlich auf der Höhe und macht es aller Welt deutlich. Von den Grünen schien er abgehoben. Bis Fritz Kuhn und Rezzo Schlauch kamen, der neue Parteivorsitzende und der Fraktionschef, um ihm den Spiegel vorzuhalten. Joschka, der frühere Straßenkämpfer, als unnahbarer Staatsmann Fischer? Er hat sich gesehen - und dann im Fernsehen Jürgen Möllemann, den "Riesenstaatsmann Mümmelmann", wie Strauß einst höhnte. Der und seine FDP machen Fischer noch einmal zum Kämpfer.

Um mehr Zeit dafür zu haben, wird er im Außenamt zum Genscher. Hans-Dietrich Genscher, der Langzeit-Außenminister von der FDP, hatte in seiner Amtszeit den Apparat getrimmt: auf Elastizität in der außenpolitischen Beurteilung und auf seine parteipolitischen Bedürfnisse. Das macht jetzt auch Fischer. Die Spitze des Amtes wird neu geordnet. Alte Genscher-Protegés werden die Plätze tauschen: Jürgen Chrobog, der unter Genscher der beste aller Sprecher war, kommt aus Washington zurück, um Staatssekretär zu werden. Wolfgang Ischinger, der durch Genschers Schule zum besten aller Unterhändler wurde, soll dorthin wechseln.

Aus privaten Gründen dauert diese Rochade noch ein bisschen. Für Chrobog wird es die letzte Station seiner Karriere sein, für Ischinger nicht. Für Fischer ist es die logische Konsequenz aus einer eigenen Entwickung: Ischingers Verbindungen im Amt, die vielen alten Bekannten aus seiner diplomatischen "Crew" in Spitzenpositionen sind dem Minister inzwischen zu viel. Außerdem trägt er Ischinger nach, in der zurückliegenden schwierigen Zeit Kontakte zur Vorgängerregierung geknüpft zu haben.

Sein engster Vertrauter ist inzwischen Gunter Pleuger. Der ist schon Staatssekretär, er wird aber andere Zuständigkeiten erhalten, unter anderem für die Europapolitik, in die der Minister jetzt direkter eingreifen will. Seit der Rede an der Humboldt-Universität, die er als "Privatmann" hielt. Und seit seiner Auseinandersetzung mit Staatsminister Christoph Zöpel (SPD), die noch lange nicht beendet ist. Auch deshalb braucht Fischer auf dieser Ebene einen engen Vertrauten: damit er ihm bei der Arbeit zur Seite steht und zugleich den Rücken freihält.

Fischer verändert sich, sein persönliches Umfeld auch. Georg Dick wird gehen, der alte Freund aus hessischen Grünen-Tagen, der später mit ihm in Bonn war, dann stellvertretender Regierungssprecher in Wiesbaden wurde. Fischer hatte ihn nach dem Regierungswechsel geholt, den Planungsstab zu leiten. Genauer: Um ihm als Freund und Interpret zu helfen bei der Erklärung "innenpolitischer Auswirkungen außenpolitischer Entscheidungen". Zum Beispiel im Kosovo-Krieg, der für die Grünen zur Zäsur wurde. Diese Arbeit ist getan.

Dick will und wird als Botschafter nach Chile wechseln, wenn auch die Rochade auf der Ebene der Staatssekretäre stattfindet; das trifft sich mit Gründen der Anrechnung von Dienstzeiten.

Dicks Platz nimmt Achim Schmillen ein, der auch schon seit Jahren für Fischer arbeitet, als Büroleiter für den Fraktionschef, jetzt als Büroleiter des Ministers. Schmillen kennt sich aus in der Sicherheitspolitik: Der ehemalige Offizier war Fraktionsreferent von Alfred Mechtersheimer. Und er kennt sich aus bei den Grünen - Schmillen wollte einmal für die Grünen in den Bundestag.

Dort sollen sie auch bleiben. Und in der Regierung. Deshalb wird Fischer nun regelmäßiger "aus den luftigen Höhen der Außenpolitik" in die "Niederungen der Innenpolitik" hinabsteigen. Am zweiten Amtstag hatte er das noch anders gesehen.

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