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Fast alleine vor der Hauptstadtpresse: Aktivist Joshua Wong aus Hongkong und die Journalisten.

© imago images / photothek

Joshua Wong appelliert an die Deutschen: „Hongkong ist das neue Berlin"

Der Aktivist aus Hongkong hat schon Außenminister Heiko Maas getroffen. Nun fordert er von Deutschland, die Polizei seiner Heimatstadt nicht mehr auszurüsten.

Von Hans Monath

Der Hongkonger Aktivist Joshua Wong hat mit einem leidenschaftlichen Auftritt an die deutsche Öffentlichkeit appelliert, den Kampf um Demokratie und Freiheit in seiner Heimatstadt zu unterstützen. „In aller Ernsthaftigkeit bitte ich um Ihre Unterstützung“, sagte der 22-jährige Studentenführer am Dienstag vor der Bundespressekonferenz und zog immer wieder historische Parallelen. „Hongkong ist das neue Berlin im neuen Kalten Krieg“, erklärte er.

Wie Berlin zur Zeit der Blockkonfrontation als Hort der Freiheit gegolten habe, verstehe sich Hongkong heute als Frontlinie gegen das diktatorische Regime in Peking. Befragt zu den Gründen seiner Zuversicht, meinte er, vor drei Jahrzehnten habe sich auch niemand vorstellen können, dass die Sowjetunion wenig später zusammenbrechen werde: „Mit unserer Leidenschaft und Hingabe werden wir Erfolg haben.“

Der mit seiner großen Brille und akkurat kurz geschorenem Haar jugendlich wirkende Generalsekretär der Partei Demosisto trug seine Forderungen in teilweise pathetischen Formulierungen vor, ohne auch nur einmal zu stocken. Vor Beginn der Pressekonferenz hatte er sich bereitwillig den zahlreich erschienenen Fotografen und Kameramännern gestellt und so auf das große Medieninteresse reagiert, das seinen Besuch in Berlin ausgelöst hat. Am Montag war er in der deutschen Hauptstadt eingetroffen, nachdem er zuvor einen Tag lang in Gewahrsam genommen und an der Ausreise aus Hongkong gehindert worden war.

Der Demokratie-Aktivist forderte die Bundesregierung auf, einen Exportstopp für Polizeiausrüstung an Hongkong zu erlassen. Gummigeschosse und andere Ausrüstungsgegenstände sowie Teile der Wasserwerfer kämen aus Ländern wie Deutschland, Großbritannien und den USA, sagte er. Die Hongkonger Polizei dürfe bei ihrem gewaltsamen Vorgehen gegen die Demonstranten nicht unterstützt werden. Die Polizeigewalt müsse unabhängig untersucht werden, da die pekingtreue Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam „blind gegenüber der Brutalität der Polizei" sei“.

Kritik am Treffen des Außenministers mit dem Aktivisten

Wong dankte für die große Unterstützung, die ihm in Berlin zuteil geworden war. „Ich atme hier den Duft der Freiheit statt das aggressive Tränengas in Hongkong“, sagte er. Seine Heimatstadt dürfe kein Polizeistaat werden, warnte er und zählte mehrere Fälle von „brutalem und unverhältnismäßigem Einsatz von Polizeigewalt“ auf, zu denen auch sexuelle Übergriffe auf Demonstrantinnen gehört hätten.

In den seit 14 Wochen andauernden Protesten wehren sich die Demonstranten gegen die Beschneidung ihrer politischen und bürgerlichen Freiheiten, die vor der Übergabe der ehemaligen britischen Kolonie 1999 in einem Vertrag von Großbritannien und China garantiert worden waren. „China ist bekannt dafür, dass es nicht nach den Regeln spielt, China hält sich nicht an internationale Verträge“, kritisierte Wong.

Am Montagabend hatte der Aktivist am Rande eines Festes der „Bild“-Zeitung Außenminister Heiko Maas (SPD) zu einem kurzen Gespräch getroffen. China verurteilte das Treffen scharf. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking kritisierte die Entscheidung, „Separatisten aus Hongkong die Einreise zu gestatten und sich an Aktivitäten gegen China zu beteiligen“. Der deutsche Botschafter stellte in einem Gespräch im Außenministerium daraufhin die deutsche Position dar.

Es sei ihm eine Ehre und eine Freude gewesen, mit dem deutschen Außenminister zu sprechen, sagte Wong am Dienstag. Ein Termin von Wong mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist nicht geplant. Der Aktivist sagte dazu: „Ich hoffe das nächste Mal wenn ich nach Deutschland komme, werde ich die Möglichkeit haben mit Angela Merkel oder einem Verantwortlichen aus dem Kanzleramt zu sprechen.“

„Wir werden unseren Kampf bis zu dem Tag fortsetzen, an dem wir demokratische Rechte genießen“, kündigte der Aktivist an, der von Berlin aus in die USA weiterreisen will, um auch dort im Gespräch mit Politikern für seine Sache zu werben.

Der Politikwissenschaftler und Außenpolitik-Experte Johannes Varwick kritisierte das Treffen von Maas mit Wong. „Der kurze Fototermin mit Maas war eine unnötige Provokation Chinas, die die Lage nicht verändert und nur für die deutsche innenpolitische Galerie gedacht ist“, sagte der Professor an der Universität Halle dem Tagesspiegel. Der Gesprächsfaden mit China werde damit unnötig belastet.  „Hongkong ist ein Sonderfall, und es braucht nun Deeskalation und keine Maximalforderungen wie die von Herrn Wong, die China nicht akzeptieren wird und kann“, fügte er hinzu.

Die Bundesregierung dürfe sich weder im Verhältnis zu China wegen Hongkong noch im Verhältnis zu Spanien wegen Katalonien „an die Seite von Separatisten stellen, die die Länder ins Chaos stürzen würden“. Die politisch vielversprechende Methode sei es, hinter den Kulissen auf friedliche Lösungen zu drängen und im Dialog zu bleiben“. Dies gelte jedenfalls, solange China keine Gewalt in Hongkong anwende.

Asien-Experte Volker Stanzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) verteidigte die Begegnung und erwartet keine harte Reaktion Pekings jenseits der Rhetorik. „Die Wahrnehmung Wongs durch die Bundesregierung ist offenkundig sorgfältig kalibriert worden: Keine Begegnung mit der Kanzlerin, mit dem Außenminister nicht an dessen offiziellem Amtssitz; vielleicht wurde auch die chinesische Seite vorab informiert", sagte der ehemalige Botschafter, der auch in Peking Dienst tat, dieser Zeitung. Diese Kalibrierung spiegele die komplizierte Gemengelage um Hongkong. Die Protestler in Hongkong würden, wenn sie nicht innehielte, die chinesische Führung vor den großen Feiern des 70. Jahrestags der Gründung der Volksrepublik am 1. Oktober vor den Augen der Weltöffentlichkeit erheblich demütigen. „Eine gewaltsame Beendigung der Proteste durch Peking hätte aber ihrerseits auch unabsehbare Folgen für die internationale Stellung der Volksrepublik.“

Die Führung in Peking versuche noch, sich aus dieser Zwickmühle herauszulavieren. Gewalteinsatz durch die Volksrepublik könne die Bundesregierung nicht wollen, auch wenn es geboten sei, die Wünsche der Protestbewegung etwa nach freien Wahlen symbolisch zu unterstützen. Diesen beiden Gesichtspunkten werde die Kalibrierung der Wahrnehmung Wongs in Berlin gerecht. „Das dürfte Peking auch so sehen und die Beziehungen nicht in eine neue Eiszeit treiben - selbst wenn Außenminister Maas nun nicht damit rechnen kann, künftig ein besonders geliebter Gesprächspartner in Peking zu sein.“

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