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Politik: Jospin verzichtet auf Reform von Renten- und Finanzverwaltung

Zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl bremst der Pariser Premierminister Lionel Jospin seinen Reformeifer. Eine radikale Neuordnung der französischen Rentenversicherung werde es nicht geben, erklärte Jospin gestern in Paris.

Zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl bremst der Pariser Premierminister Lionel Jospin seinen Reformeifer. Eine radikale Neuordnung der französischen Rentenversicherung werde es nicht geben, erklärte Jospin gestern in Paris. Die Regierung halte am bewährten Umlagesystem für die Altersversorgung fest und plane keine privaten Pensionsfonds. Bereits am Montag hatte Jospin überraschend auf die Modernisierung der aufgeblähten Pariser Finanzverwaltung verzichtet.

"Jospin kapituliert in der Finanzverwaltung, um bei der Rentenreform voranzukommen", titelte die Wirtschaftszeitung "La Tribune". Der Premier plane, die Beamten länger zur Kasse zu bitten, hieß es weiter: Statt bisher 37,5 Jahre sollten sie künftig 40 Jahre in die Rentenkasse einzahlen. Außerdem solle der bereits bestehende Reservefonds für die Rentenversicherung mit Privatisierungserlösen aufgefüllt werden.

Damit zeichnet sich eine erneute Verzögerung der umstrittenen Strukturanpassungen ab. Ursprünglich hatte Jospin die Rentenreform bereits im letzten Jahr einleiten wollen. Als Grundlage sollte ein im April 1999 vorgelegter Expertenbericht dienen. Dieser kam zu dem Schluss, dass das Rentenalter schrittweise von derzeit 60 auf 65 Jahre angehoben werden müsse. Jospin schreckte jedoch vor dieser unpopulären Konsequenz zurück und forderte eine weitere Expertise an. Angesichts des kräftigen Wirtschaftswachstums seien keine tiefgreifenden Strukturreformen nötig, hieß es nun.

Jospins gestern bekannt gewordene "Orientierungen" liegen auf einer mittleren Linie zwischen beiden Gutachten. Sie visieren das Jahr 2020 an, so dass mit konkreten Reformschritten bis zum Wahljahr 2002 kaum noch zu rechnen ist. Endgültig verabschiedet hat sich Jospin bereits jetzt von der geplanten Rosskur für Frankreichs Finanzverwaltung. Sie sah vor, die ineffiziente Administration der öffentlichen Finanzen zu straffen. Angesichts massiver Proteste der Gewerkschaften, die bis zur Blockade von Rechenzentren gingen, entschied sich Jospin indes zum Rückzug.

Mit dieser "Kapitulation" (La Tribune) ist nicht nur die Modernisierung der französischen Verwaltung in Frage gestellt. Zudem kratzt Jospins Rückzug am ohnehin blassen Image von Finanzminister Christian Sautter. Die erzwungene Niederlage bei der Reform "seiner" Finanzverwaltung könnte sich für Sautter als fatal erweisen. Er sei "tief gekränkt" und denke an Rücktritt, meldet die Abendzeitung "Le Monde".

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