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Jugendgefängnis

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Jugendstrafrecht: Schlechte Prognose

Fachleute fordern für straffällig gewordene Jugendliche eine Alternative zum Gefängnis. Länder und Kommunen sparen aber bei der Jugendhilfe.

Berlin - In der Diskussion über den Umgang mit jugendlichen Gewalttätern haben Juristen die Kritik an den Gerichten zurückgewiesen. Der Vorwurf, sie behandelten kriminelle Jugendliche zu nachsichtig, sei falsch, erklärte der Deutsche Richterbund am Dienstag. Vielmehr fehlten Stellen in der Justiz, um Verfahren gegen Verdächtige voranzubringen. Aber auch Einrichtungen der Jugendhilfe seien mangelhaft ausgestattet, kritisieren die Juristen. Die Landeszuschüsse für betreutes Wohnen, Trainingskurse und Weiterbildungsmaßnahmen seien in vielen Bundesländern gekürzt worden.

Auch die hessische Landesregierung unter Roland Koch (CDU) hat schon 2003 ihre Zuschüsse für „Maßnahmen für straffällige junge Menschen“ in Höhe von 258 000 Euro gestrichen. Seitdem gibt es kein konkretes Förderprogramm des Landes mehr, das Projekte für junge Straftäter finanziert. Das hessische Sozialministerium weist jedoch darauf hin, dass es eine Reihe von Maßnahmen zur Jugendgewaltprävention gebe, die zum Teil auch auf bereits auffällig gewordene Jugendliche zugeschnitten seien. So wurde etwa das sogenannte Erziehungscamp des ehemaligen Boxers Lothar Kannenberg im vergangenen Jahr mit 200 000 Euro bezuschusst: Mehr als 20 Jugendliche werden dort von Trainern und Erziehern rund um die Uhr betreut.

Angesichts von knapp 80 Milliarden Euro Schulden sparen aber auch die Kommunen bei den Jugendhilfeeinrichtungen. „Die angespannte Finanzlage ist sehr bedenklich“, sagt Jochen Goerdeler von der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen. So habe kürzlich ein Richter gegen einen jugendlichen Gewalttäter eine Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen wollen. Da der 17-Jährige jedoch mit seinem prügelnden Vater zusammenwohnte, habe der Richter eine sozialpädagogische Betreuung des Jungen zur Auflage gemacht. Die Kommune sah jedoch keine Möglichkeit, ausreichend Helfer bereitzustellen. Plätze in einer betreuten Wohnanlage waren ebenfalls nicht frei. Der Jugendliche musste deshalb in ein Gefängnis.

Die Prognosen für dort untergebrachte Jugendliche sind indes schlecht: 80 Prozent aller jungen Häftlinge werden wieder straffällig. Jugendliche die Arbeitsleistungen in gemeinnützigen Einrichtungen erbringen oder ein Verhaltenstraining besuchen müssen, fallen später hingegen weiter seltener als Straftäter auf: Die Rückfallquote liegt hier deutlich unter 50 Prozent. Bewährungshilfe ist außerdem erheblich kostengünstiger als der stationäre Strafvollzug. Bis zu 100 Euro kostet ein Tag in einem Jugendgefängnis je Insasse. Für sogenannte ambulante Maßnahmen und die Betreuung durch einen Bewährungshelfer fallen Schätzungen zufolge nur etwa zehn Euro pro Tag an.

„Generell haben sich die Strafen jenseits vom Freiheitsentzug bewährt“, sagt Kriminologe Gerhard Spieß von der Universität Konstanz. Die meisten Verfahren werden eingestellt. Rund 25 Prozent der Urteile gegen Jugendliche beinhalten heute Erziehungsmaßnahmen wie Trainingskurse, 45 Prozent der Verurteilten müssen Arbeitsstunden leisten. Diese Zahl hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen.

Umstritten ist, ob Erziehungscamps wie das von Kannenberg eine geeignete Alternative zu gemeinnütziger Arbeit, Jugendarrest oder Gefängnisstrafen sind. Kritiker einer Ausweitung solcher Einrichtungen denken dabei vor allem an die wegen ihrer harten Methoden berüchtigten „Bootcamps“ in den USA, in denen die jungen Menschen psychisch regelrecht gebrochen werden. Deutsche Befürworter von Erziehungscamps distanzieren sich davon allerdings. Sie verlangen aber wie die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU), dass straffälligen Jugendlichen Respekt und die Einhaltung von Regeln anerzogen werden sollen.

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