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Politik: Jugoslawien nach der Wahl: Die Belgrader feiern schon Milosevics Ende

Die Belgrader feiern, als hätte Slobodan Milosevic schon abgedankt und den Weißen Palast geräumt. Am Montagabend sind rund 50 000 ins Zentrum der jugoslawischen Hauptstadt geströmt.

Die Belgrader feiern, als hätte Slobodan Milosevic schon abgedankt und den Weißen Palast geräumt. Am Montagabend sind rund 50 000 ins Zentrum der jugoslawischen Hauptstadt geströmt. Sie schwenken Spruchbänder mit der schlichten Aufschrift "Gotov je" (Er ist am Ende).

Einst hat man dem starken Mann zugejubelt, heute will man ihn möglichst schnell loswerden. Nach 13 Jahren autoritärer Herrschaft weht der Wind der Freiheit durch das Land. Auch in anderen Städten feierte die Bevölkerung spontan. Am Dienstagabend sollte das Happening weitergehen. Viele können das Ausmaß des Sieges nicht fassen. Die Opposition hat nicht nur bei den Präsidentenwahlen gewonnen, auch bei den Lokalwahlen müssen die Milosevic-Sozialisten in über 90 Städten und Gemeinden die Macht abgeben. Im Stadtrat der Hauptstadt Belgrad ist die Vertretung der Regimeparteien auf eine kleine Gruppe zusammengeschrumpft: "Wir können wie normale Leute zu atmen beginnen", freute sich die Studentin Milica Danilovic gegenüber der Tageszeitung "Danas".

Doch Slobodan Milosevic residiert noch immer im Weißen Palast, und über die nächsten Schritte des Regimes wird in Belgrad vor allem gerätselt. Verdächtig erscheint das Schweigen, in das sich die Wahlkommission der Bundesrepublik Jugoslawien hüllt. Die Kommission sei seit dem Wahlabend nicht mehr zusammen gekommen, erklärte Sinisa Nikolic, Vertreter der Opposition im Gremium, am Dienstag. Kommissionsmitglieder würden nicht in den Raum vorgelassen, in dem die Resultate elektronisch zusammengezählt werden sollten, bestätigte auch Nenad Milic von der Demokratischen Opposition Serbiens (DOS): "Die Polizei bewacht den Raum und lässt nur Techniker hinein". Die DOS hatte die Bevölkerung Belgrads für Mittwochabend zu einer Kundgebung vor dem Bundesparlament aufgerufen, wo auch die Wahlkommission tagt.

Borivoje Vukicevic, der Vorsitzende der Kommission, hat am Montag abend dafür die Beobachter aus "befreundeten Staaten" empfangen. "Die Wahlen waren frei und fair", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tanjug den Vorsitzenden nach dem Treffen mit den Wahlbeobachtern aus Russland, China und einigen afrikanischen Staaten. Die Kommission werde, so wurde zudem am Dienstag per Fax mitgeteilt, die Ergebnisse der Wahl "fristgerecht" bis Donnerstagabend bekanntgeben. Die Opposition teilte mit, sie wolle ihre Version der Ergebnisse bereits einen Tag früher veröffentlichen und zwar auch die der Kommunalwahlen im Bundesland Serbien, die ebenfalls am Sonntag stattfand. Man stütze sich dabei auf "Originalmaterial" und sei deshalb sicher, dass die Zählung stimme.

Im Weißen Palast werde hektisch beraten und zwischen den verschiedenen Fraktionen im Lager des Regimes gebe es große Uneinigkeit, so der unabhängige Publizist Bratislav Grubacic. Der Präsident habe Nikola Sainovic, einen hohen Funktionär der Sozialistischen Partei (SPS), gleich wieder aus dem Büro geworfen, als dieser mit der schlechten Nachricht von der Niederlage kam. Nur eine kleine Minderheit am Hof des Autokraten möchte die Schlappe akzeptieren. Eine weitere Fraktion rät, die Ergebnisse soweit zu "korrigieren", damit es immerhin noch zu einem zweiten Wahlgang kommt.

Die Hardliner innerhalb der SPS und der neokommunistischen Jugoslawischen Linken der Präsidentengattin Mira Markovic plädieren dafür, unabhängig vom tatsächlichen Wahlausgang den Sieg von Präsident Slobodan Milosevic zu verkünden. Die Opposition hat derweil dem Regime bis Mittwochabend ein Ultimatum gestellt: Sollten die Ergebnisse bis dann nicht bekannt sein, will Serbiens neue Kraft den Sieg vor dem Parlament selber ausrufen.

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