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Politik: Jugoslawien nach der Wende: Ein Präsident mit vielen Aufgaben und wenig Macht

Vojislav Kostunica hat kurz nach seiner Vereidigung als Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien ein erstes Zeichen gesetzt. Er hat in der Nacht auf Sonntag das Embargo gegen Serbiens abtrünnige Schwesterrepublik Montenegro aufgehoben.

Vojislav Kostunica hat kurz nach seiner Vereidigung als Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien ein erstes Zeichen gesetzt. Er hat in der Nacht auf Sonntag das Embargo gegen Serbiens abtrünnige Schwesterrepublik Montenegro aufgehoben. Er nutzte damit eine der wenigen Kompetenzen, die ihm als Staatsoberhaupt zustehen.

In einer Blitzaktion setzte die neue Führung in Belgrad auch Mihalj Kertes, den mächtigen Chef der Zollbehörde ab. Die notorisch korrupte Behörde war unter dem Milosevic-Vertrauten eine der wichtigsten Geldquellen des Belgrader Regimes. Die Zollangelegenheiten sind eine der Domänen, für welche die Bundesbehörden zuständig ist. Denn Jugoslawiens Präsident ist ein Staatsoberhaupt mit formell wenig Macht. Der Bundesstaat ist sonst nur noch für die Geldpolitik, die Außenbeziehungen und die Verteidigungspolitik zuständig. Als eine der nächsten Maßnahmen könnte eine Bundesregierung unter Vojislav Kostunica den schwindsüchtigen Dinar nach dem Vorbild Montenegros für ganz Jugoslawien fix an die Mark beziehungsweise an den Euro binden.

Kostunica wird sich bei der Bewältigung des Erbes der Milosevic-Ära vor allem auf seine moralische Autorität stützen müssen, die er aus dem Volksaufstand von vergangener Woche schöpfen kann. Wie lange die Unterstützung der Straße anhält, ist eine andere Frage.

Wie schwach die Position des Präsidenten ist, zeigte sich schon bei der Vereidigung vor den beiden Kammern des Bundesparlamentes. Ein Streit um die Verifizierung der Abgeordnetenmandate und um die Besetzung der Kammerpräsidenten verzögerte die Zeremonie um mehrere Stunden. Weder die Vertreter der Demokratischen Opposition Serbiens (DOS), noch die Abgeordneten der alten Regimeparteien haben im Bundesparlament eine klare Mehrheit. Das Zünglein an der Waage können die Abgeordneten aus Montenegro spielen. In Montenegro hat aber nur die Sozialistische Volkspartei (SNP), bisher treue Verbündete der Milosevic-Sozialisten, an den Wahlen überhaupt teilgenommen. In Montenegro ist die SNP in der Opposition zur Regierung unter Präsident Milo Djukanovic, dessen Partei die Bundeswahlen boykottiert hat. In der SNP gibt es einige, die für einen Seitenwechsel und eine Zusammenarbeit mit DOS plädieren. Dies ist die Voraussetzung, dass Kostunica bei seiner Regierungsbildung überhaupt Erfolg haben kann. Jugoslawiens Präsident sieht sich dabei auf einer ersten Gratwanderung. Er darf es mit der Mehrheit in Montenegro, welche die Wahlen boykottiert hat, nicht verscherzen. Gleichzeitig muss er verhindern, dass die Abgeordneten aus Montenegro wieder mit den alten Belgrader Regimeparteien zusammengehen. Deshalb kursiert jetzt die Idee einer Expertenregierung, die es allen Beteiligten recht machen könnte.

Kostunica bekräftigte in seiner Ansprache, die "Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit Jugoslawiens" zu bewahren. Die Beziehungen mit Montenegro will er stärken und die Kontrolle über den Kosovo, derzeit unter Verwaltung der UN, wieder zurückgewinnen. Der Rechtsprofessor bestätigte sich als Nationalist und "serbischer Patriot". Er fand keine Worte der Entschuldigung oder des Bedauerns dafür, was das Belgrader Regime in den vergangenen zehn Jahren den nichtserbischen Volksgruppen im ehemaligen Jugoslawien angetan hat.

Vielleicht ist es dazu auch noch zu früh, denn zuerst muss Kostunica seine eigene Position festigen. Die Macht innerhalb des Bundesstaates liegt in den beiden Teilrepubliken Serbien und Montenegro. In Serbien sind noch immer die alten Regimeparteien am Ruder. Kostunica setzt darauf, dass es in Serbien bald zu vorgezogenen Wahlen kommt. Der neue Präsident will sich selbst auch spätestens in 18 Monaten wieder den Wählern stellen.

Unterdessen scheinen die Europäer und die USA sich einig in der Forderung, für Ex-Präsident Milosevic dürfe es keine politische Funktion in Jugoslawien mehr geben. Der britische Außenminister Robin Cook verlangte, Milosevic gehöre vor das Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag. Dessen Präsident Claude Jorda verlangte internationale Kooperation im Bemühen darum, Milosevic festzunehmen, damit ihm wegen der Gräuel der Serben im Kosovo der Prozess gemacht werden könne. Die Chefanklägerin des Tribunals, Carla del Ponte, teilte mit, in Vorbereitung sei auch eine Anklage gegen Milosevic wegen Völkermordes.

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