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Julia Klöckner (CDU), Bundestagspräsidentin, spricht im Plenum.

© dpa/Elisa Schu

Julia Klöckner und die „Bürgerräte“: Die Bundestagspräsidentin ist schlecht beraten

Dialogische Beteiligungsformate – zwischen den Wahlen helfen sie der parlamentarischen Demokratie. Fand zum Beispiel Wolfgang Schäuble. Es wäre gut, wenn sich seine Nachfolgerin daran erinnern würde.

Stephan-Andreas Casdorff
Eine Kolumne von Stephan-Andreas Casdorff

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Es war ein Bundestagspräsident der CDU, der den ersten parlamentarisch legitimierten Bürgerrat durchsetzte: Wolfgang Schäuble. Der Rekordabgeordnete – mehr als 50 Jahre im Bundestag – war aus Erfahrung dafür. Nachnachfolgerin Julia Klöckner, auch von der CDU, ist da nicht so begeistert. Wie sich daran zeigt, dass die „Stabsstelle Bürgerräte“ im Parlament aufgelöst wird.

Was erhoffte sich Schäuble? Ein dialogisches Beteiligungsformat für die Zeit zwischen den Wahlen: Per Los ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus allen gesellschaftlichen Gruppen, mit ausreichend Zeit, nachzufragen, um dann zu Empfehlungen zu kommen, an Gemeinwohl und Fairness orientiert.

Klöckner hält dagegen: „Der größte Bürgerrat in Deutschland ist das demokratisch gewählte Parlament.“ Die demokratische Legitimierung sei um ein Vielfaches größer. Es müsse der Eindruck vermieden werden, die Bedeutung des Parlaments und der frei gewählten Parlamentarier würde geschmälert, sagt sie.

Über Klöckner als Präsidentin wird ohnedies gemurrt, über autoritäres Verhalten und jetzt darüber, dass sie die Rolle der Bürgerräte offenkundig falsch versteht.

Stephan-Andreas Casdorff

Nun hat der Bundestag allerdings mit den Bürgerräten „Deutschlands Rolle in der Welt“ und „Ernährung im Wandel“ gezeigt, dass zufällig zusammengeloste Menschen sachorientiert beraten und Lösungen entwickeln können. Und dass den Abgeordneten etwas von ihrer Macht genommen würde, denken viele unter ihnen nicht. Sie wollen sogar ausdrücklich bei schwierigen Themen, etwa der Corona-Aufarbeitung, Beratung aus Sicht der unmittelbar Betroffenen.

So sammelt sich Unmut quer durch die Fraktionen. Über Klöckner als Präsidentin wird ohnedies gemurrt: über autoritäres Verhalten und jetzt darüber, dass sie die Rolle der Bürgerräte offenkundig falsch versteht. Dialogische Beteiligung soll Entscheidungen eines gewählten Parlaments eben nicht ersetzen, vorwegnehmen oder korrigieren, sondern sie qualifizieren und stärker legitimieren. In tausenden Kommunen wird das erkannt.

Bundesweit läuft derweil eine Unterschriftenaktion. „Demokratie lebt davon, dass Menschen mitreden und mitgestalten können – nicht nur alle vier Jahre an der Wahlurne. Wir erwarten von der Bundestagspräsidentin und den Fraktionen, dass sie Bürgerräte nicht als Konkurrenz, sondern als Chance für eine lebendige Demokratie begreifen und entsprechend handeln“, wird darin gefordert.

Aus dem Bundestagspräsidium heißt es, sollten sich CDU/CSU und SPD für einen Bürgerrat einsetzen, könne die Stabsstelle wiederbelebt werden. Auch der Koalitionsvertrag sieht eigentlich die Unterstützung von Bürgerräten vor. Dumm nur, wenn sich die Führungen von Schwarz-Rot nicht auf einen neuen Bürgerrat einigen können und 2026 sowieso die Finanzmittel dafür fehlen.

Wolfgang Schäuble, ehedem auch acht Jahre Bundesfinanzminister, wüsste, wie er an das nötige Geld kommt. Und im Ältestenrat des Bundestags an das nötige Mandat.

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