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Julian Assange: Verdächtig für einen Tag

Wikileaks-Gründer Julian Assange sieht sich als mögliches Opfer eines Komplotts. Der Haftbefehl gegen ihn wurde aufgehoben.

Stockholm - Knapp 24 Stunden hat Schwedens Polizei den Australier Julian Assange, Gründer des Enthüllungsportals Wikileaks, wegen Verdachts auf Vergewaltigung per Haftbefehl gesucht und dann einen Rückzieher gemacht. „Es gibt für mich keinen Grund zu dem Verdacht mehr, dass er eine Vergewaltigung begangen hat“, sagte die Oberstaatsanwältin Eva Finné am Samstag. Zwei Frauen hatten sich nach Angaben der Behörden am Freitag bei der Polizei gemeldet und Assange beschuldigt. Die Polizei leitete den Verdacht an die Staatsanwaltschaft weiter, die den Internet-Aktivisten zur Fahndung ausschrieb.

Später am Samstag teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass nur der Verdacht auf Belästigung gegen den 39-Jährigen weiter geprüft werde. Die Stockholmer Staatsanwaltschaft wies am Sonntag Kritik an ihrem Vorgehen zurück. Oberstaatsanwältin Finné habe am Samstag über deutlich mehr Informationen verfügt als die diensthabende Staatsanwältin am Freitagabend, teilte die Behörde mit.

Assange war im Juli mit der Veröffentlichung zehntausender geheimer US-Dokumente zum Krieg in Afghanistan weltweit bekannt geworden. „Wir sind vor ,schmutzigen Tricks’ gewarnt worden. Jetzt erleben wir den ersten“, hieß es nach Bekanntwerden der Vorwürfe in einer Twitter-Mitteilung von Wikileaks. „Unsere Anschuldigungen gegen Julian Assange sind natürlich weder vom Pentagon noch von jemand anderem inszeniert worden“, beteuerten dagegen die beiden Schwedinnen, die das Ganze ins Rollen gebracht hatten. Eine der beiden sagte der Zeitung „Aftonbladet“: „Die Verantwortung liegt allein bei einem Mann mit einem schiefen Frauenbild und dem Problem, dass er ein Nein nicht akzeptieren kann.“

Assange hielt in einem Interview mit dem „Aftonbladet“ ein Komplott des US- Verteidigungsministeriums für möglich. „Ich weiß nicht, wer sich dahinter verbirgt“, sagte er. „Aber wir sind gewarnt worden, dass beispielsweise das Pentagon uns böse mitspielen könnte, um uns zu zerstören.“ Dabei sei er ausdrücklich vor „sexuellen Fallen“ gewarnt worden, sagte Assange. Er habe „keine Ahnung“, wer die Frauen seien, die die Vorwürfe gegen ihn erhoben hatten.

Als seinen Aufenthaltsort gab der Internet-Aktivist das Ferienhaus eines Bekannten im nördlichen Schweden an. Er will bis zur Klärung der Vorwürfe gegen ihn im Land bleiben. In diesem Fall wurde der Name des Verdächtigen von den Behörden genannt, was in Schweden extrem ungewöhnlich ist. Assange gab an, dass er von dem zeitweiligen Haftbefehl aus den Medien erfahren habe: „Ein Freund, der Schwedisch kann, hat es im Netz gefunden und mich informiert.“   

Die Internet-Plattform Wikileaks ermöglicht die anonyme Veröffentlichung von Geheimdokumente, um Missstände aufzudecken. Assange hatte vor einer Woche in Stockholm angekündigt, „in einigen Wochen“ rund 15 000 weitere Afghanistan-Dokumente veröffentlichen zu wollen. Er befürchtete, dass der kurzzeitige Vergewaltigungsverdacht Wikileaks „großen Schaden“ zufügen könnte. „Es gab Schlagzeilen in der ganzen Welt“, sagte er. „Ich weiß aus Erfahrung, dass die Gegner von Wikileaks diese Dinge weiter hinausposaunen werden, sogar nachdem sie entkräftet wurden.“ Assange, der nach eigenen Angaben keinen festen Wohnsitz hat, hatte in Stockholm eine Zusammenarbeit mit der schwedischen Piratenpartei vereinbart. Sie will Wikileaks kostenfrei Server zur Verfügung stellen. AFP/dpa

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