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Politik: Juristentag: Es bleibt beim alten Gerichtsweg

Auch nach der Reform des Strafprozessrechts soll der Weg durch die Instanzen erhalten bleiben wie bisher. Dies kündigte Berndt Netzer, Leiter der Abteilung Rechtspflege im Bundesjustizministerium, am Mittwoch auf dem Juristentag in Leipzig an.

Auch nach der Reform des Strafprozessrechts soll der Weg durch die Instanzen erhalten bleiben wie bisher. Dies kündigte Berndt Netzer, Leiter der Abteilung Rechtspflege im Bundesjustizministerium, am Mittwoch auf dem Juristentag in Leipzig an. Die auch vom Justizministerium in der Vergangenheit geäußerten Überlegungen, den Gerichtsweg zu verkürzen, sind damit vom Tisch. "Es gibt keinen Eingriff in die Konzeption", sagte Netzer. Sein Ministerium hat nach Angaben Netzers "Eckpunkte einer Reform des Strafverfahrens" ausgearbeitet, die demnächst vorgelegt werden sollen. "Randpunkte müssen noch abgestimmt werden", sagte er.

Ein sehr strittiger Punkt ist offenbar, dass eine Berufung in Zukunft begründet werden soll. Der Grünen-Rechtsexperte Volker Beck nannte dies "einen Versuch, die Hürde bei der Berufung höher zu legen", und lehnte den Vorschlag entschieden ab. Das Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen bezeichnete das Vorhaben als "unausgewogen, praxisfern und rechtsstaatsfern".

Nach Angaben Berndt Netzers werde in den "Eckpunkten" bewusst offen gehalten, ob es die Begründungspflicht geben werde. Das als "Diskussionspapier" überschriebene Schriftstück, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird hier jedoch wesentlich konkreter. Unter Ziffer zehn, "Optimierung des Berufungsverfahrens", wird ausdrücklich eine "schriftliche Begründung" verlangt, aus der die "tragenden Gesichtspunkte" hervorgehen müssen. Das Berufungsgericht muss sich darauf aber nicht darauf beschränken, sondern kann von sich aus weitere Beweise erheben. Das Justizministerium hat damit offenbar auf die Kritik von Anwaltsverbänden reagiert. Sie wollten, wie bisher, eine vollständige Tatsachenkontrolle in der Berufungsinstanz. Im Eckpunktepapier heißt es dazu, dies sei nicht mehr nötig. Und: "Auf geeignetem Wege soll insbesondere schutzbedürftigen Zeugen eine zweite Tatsacheninstanz erspart werden."

Bedürfnisse der Opfer im Vordergrund

Das "Eckpunkte"-Papier stellt in seinen "Hintergründen und Zielen" die "Bedürfnisse der Kriminalitätsopfer" in den Vordergrund einer Reform. Vorgesehen ist ein "Wiedergutmachungsvergleich" vor Gericht, der für einen frühzeitigen Schadensausgleich sorge und dem Opfer ein langwieriges Verfahren erspare.

Strafverteidiger sollen ihren Mandanten häufiger persönlich beistehen können, etwa schon dann, wenn die Polizei sie vernimmt. Dies war bisher nur ausnahmsweise möglich. Die Anwälte sollen sich außerdem an der Auswahl von Experten beteiligen dürfen, die vor Gericht als Sachverständige aussagen. beteiligen dürfen. Sehr offen formuliert ist der Punkt "Transparente Hauptverhandlung". Die Gerichte sollen die Prozessbeteiligten verstärkt über ihre Sicht des Verfahrens informieren und dann erörtern, "ob und in welcher Weise die Hauptverhandlung abgekürzt werden kann". Wenn sie darüber "Deals" verabreden, müsse dies streng rechtsstaatlich verlaufen.

Kritik an Däublers Informationspolitik

Das "Eckpunkte"-Dokument selbst behielt das Justizministerium am Mittwoch unter Verschluss. Nach Auskunft von Justiz-Staatssekretär Hansjörg Geiger ist das Papier noch nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt. "Dies ist erst der Anstoß einer Diskussion", sagte Geiger dem Tagesspiegel. Die Vorstellung der Pläne geschah überraschend außerhalb des offiziellen Programms auf einer Sitzung der Abteilung Strafrecht des Juristentages. Zwar befasst sich diese Abteilung mit möglichen Reformen im Strafprozess. Ein Auftritt von Vertretern des Ministeriums war jedoch am Mittwoch nicht vorgesehen. Das "Eckpunkte"-Papier sollte nach Auskunft eines Sprechers aus dem Ministerium ursprünglich am Mittag an die Presse verteilt werden. Auf Anordnung des Staatssekretärs Geiger wurde es dennoch in buchstäblich letzter Sekunde zurückgezogen.

Von einer "verwirrenden Informationspolitik" sprach deshalb der Vorsitzende der Abteilung Strafrecht des Juristentages, Rainer Robra. Er zeigte sich enttäuscht, dass Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) nicht bereits im Vorfeld des Juristentages konkretere Vorschläge zur Strafprozessreform gemacht hat. Ein letzter Auftritt der Ministerin auf der Veranstaltung ist für diesen Donnerstag im Rahmen des "Aktuellen Forums" zur Reform des Zivilprozesses geplant.

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