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Juristisches Tauziehen: Akw-Brunsbüttel: Alter Betrieb

Um die Betriebserlaubnis des umstrittenen Atomkraftwerks Brunsbüttel in Schleswig-Holstein ist ein juristischer Streit entbrannt. Worum geht es und was für Folgen könnte das haben?

Die Verhandlungen zwischen den beiden Energiekonzernen Eon und Vattenfall über die Betriebsführung der Pannenreaktoren Brunsbüttel und Krümmel könnten womöglich schneller zu Ende sein als geplant. Seit Juli 2007 steht das Atomkraftwerk Brunsbüttel ununterbrochen still. Der Meiler in Krümmel ist zwischenzeitlich kurz am Netz gewesen, nach neuen Problemen mit einem Transformator aber wieder abgeschaltet worden. Vattenfall verhandelt nun mit Eon darüber, die Betriebsführung für die beiden Kernkraftwerke abzugeben. Doch womöglich geht es nur noch um das Akw Krümmel. Die Grünen in Schleswig-Holstein sind nämlich davon überzeugt, dass die Betriebsgenehmigung für das Atomkraftwerk Brunsbüttel abgelaufen ist.

Die grüne Landtagsfraktion stützt sich dabei auf ein von ihr bei der Rechtsanwältin Cornelia Ziehm in Auftrag gegebenes Gutachten. Ziehm hat im Bundesimmissionsschutzgesetz eine Regelung entdeckt, nach der für Anlagen, die drei Jahre lang stillstanden, die Betriebsgenehmigung erlischt (Paragraf 18, Absatz 1, Nummer 2). Und aus der Tatsache, dass das Atomgesetz schon seit seiner ersten Fassung 1960 in allen Fragen, die nicht gesondert geregelt sind, auf dieses Gesetz verweist, schließt die Juristin, dass der Meiler in Brunsbüttel gar nicht mehr ans Netz gehen darf. Vattenfall hat, was das Akw Brunsbüttel betrifft, jedenfalls keinen Antrag auf eine Fristverlängerung gestellt.

Robert Habeck, Fraktionschef der Grünen in Kiel, sagte am Montag: „Während überall in den vergangenen Wochen und Monaten politisch über das Thema diskutiert wurde, nehmen wir das Atomkraftwerk ganz einfach technisch in den Blick.“ Es handele sich hier um einen Präzedenzfall, da bislang noch kein Atomkraftwerk in Deutschland so lange stillgestanden habe. Für einen Weiterbetrieb des 33 Jahre alten Atommeilers müsse eine neue Betriebsgenehmigung beantragt werden. Doch diese dürfte der störanfällige Altreaktor nach allgemeiner Auffassung kaum noch bekommen, zumal er vergleichsweise schlecht gegen terroristische Angriffe gesichert ist. Zudem verweist der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Rainer Baake, auf eine Analyse der Reaktorsicherheitskommission, die 2003 zu dem Schluss kam, dass ein Austausch des Sicherheitsleitsystems, also der elektronischen Steuerung, keinen Sicherheitsgewinn bringen würde.

Die Grünen weisen außerdem darauf hin, dass der Siedewasserreaktor mit einer Verfügbarkeitsquote von gerade mal 57,6 Prozent inzwischen auch zu den unwirtschaftlichsten Atomkraftwerken in Deutschland gehöre. Für den Fall, dass die Atomaufsichtsbehörde in Kiel, die im Justizministerium angesiedelt ist, dem Reaktor im kommenden Jahr trotzdem grünes Licht für ein Wiederanfahren erteilt, kündigt Habeck rechtlichen Widerstand an.

Die Grünen und Anwältin Ziehm, die auch die Klimaschutz- und Energieabteilung der DUH in Berlin leitet, stützen sich in ihrer Argumentation auf Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes. Diese hatte in einer Krümmel-Entscheidung aus dem Jahr 1996 bestätigt, dass für das Immissionsschutzrecht anerkannte Grundsätze auf das Atomrecht übertragbar sind. Nach Ziehms Einschätzung sind Arbeiten zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit oder der Austausch von falsch montierten Dübeln, wie in Brunsbüttel, kein Betriebs- sondern ein Stillstandszustand. Im Übrigen dürften nach Ansicht der Grünen auch zur Verfügung stehende Reststrommengen und erst recht die Verlängerung der Laufzeit für das Akw Brunsbüttel um weitere acht Jahre nicht auf andere Reaktoren übertragen werden. Habeck kommentierte die Verhandlungen zwischen Vattenfall und Eon über die Betriebsführung süffisant: „Wer kauft schon ein Auto mit abgelaufenem Tüv und ohne Aussicht auf die Genehmigungsplakette?“

Die Atomaufsichtsbehörde sieht das allerdings wohl anders. Die These, „dass das Atomgesetz ein Regelungsdefizit enthalte und deshalb die immissionsrechtliche Regelung entsprechend angewendet werden müsse“, halte man für wenig überzeugend, hieß es. Bei der 1983 erteilten Betriebsgenehmigung handele es sich um eine unbefristete Zusicherung für den Betreiber, „einschließlich aller erforderlichen Betriebsvorgänge“. Damit sei grundsätzlich auch der sogenannte Stillstandsbetrieb gemeint, das heißt „Instandsetzungsvorgänge, Reparaturen, Brennelementewechsel sowie wiederkehrende Prüfungen“, betonte der zuständige parteilose Minister Emil Schmalfuß in Kiel. Genau diese Position hatte zuvor bereits Vattenfall vertreten.

Der Reaktor in Brunsbüttel wurde 1976 in Betrieb genommen. Mit einer Leistung von 771 Megawatt ist er ein kleiner Meiler, der jedoch in der Pannenstatistik der deutschen Atomkraftwerke seit Jahren kaum einholbar an der Spitze liegt. Der schwerste Unfall in einem deutschen Akw spielte sich 2001 in Brunsbüttel ab, als es in unmittelbarer Nähe des Reaktordeckels zu einer Knallgasexplosion kam. Das Schwesterkraftwerk Krümmel ging erst 1983 ans Netz, ist jedoch von der Konzeption her nicht weniger veraltet.

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