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Wer privat eine Pflegezusatzversicherung abschließt, bekommt künftig fünf Euro pro Monat vom Staat dazu. Kritiker sehen darin eine Subventionierung der Versicherer.

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Kabinettsbeschluss gefasst: Startschuss für den Pflege-Bahr

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) setzt sich mit seiner Idee durch, die private Pflege-Vorsorge pauschal zu fördern - dabei gibt es gegen das Konzept einige Bedenken. Unterdessen hat das Bundeskabinett auch das umstrittene Betreuungsgeld beschlossen.

Die Pflegereform ist längst beschlossene Sache, doch um eines ihrer Details, die politisch gewollte Privatvorsorge, hat die Koalition noch ein halbes Jahr ringen müssen. Auf der Matte: Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), der auf eine Pauschalförderung für alle Versicherten drängte, und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der das Ganze deutlich billiger und deshalb nur steuerlich absetzbar haben wollte. Gesiegt hat, das ist seit dem Koalitionsgipfel am Montag klar, in dem Punkt der FDP-Mann. Und so gibt es für jeden, der sein Pflegerisiko nach festen Kriterien zusätzlich absichert, künftig vom Staat pro Monat fünf Euro obendrauf. Am Mittwochvormittag hat das Bundeskabinett dies offiziell beschlossen.

Auch das umstrittene Betreuungsgeld wurde vom Kabinett gebilligt. Es billigte eine vom Bundesfamilienministerium erarbeitete Formulierungshilfe für die schwarz-gelben Regierungsfraktionen, die einen Gesetzentwurf kommende Woche in den Bundestag einbringen sollen. Das Gesetz soll noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden. Am Montag hatten die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP das Projekt nochmals bekräftigt, das SPD und Grüne scharf kritisieren. Das Betreuungsgeld soll an Eltern von Kindern zwischen dem 13. und 36. Lebensmonat gezahlt werden, wenn sie keine öffentlich geförderte Betreuung oder eine kommunal bezuschusste Tagesmutter in Anspruch nehmen und damit nicht vom Kita-Ausbau profitieren.

Fünf Euro pro Monat für die Pflege, das macht 60 Euro im Jahr. Dass das viel ist, behauptet nicht mal der zufriedene Minister. Aber erstens, so sagt er, habe man damit den gewünschten Einstieg in ein nachhaltigeres Zwei-Säulen- System geschafft. Zweitens sei die Pauschalförderung unbürokratisch und leicht zu durchschauen, werde also viele erreichen. Von einer steuerlichen Absetzbarkeit, wie sie Schäuble vorschwebte, hätten nur diejenigen profitiert, die auch genug zu versteuern haben. Und drittens sei man mit der Förderung nicht am Ende der Fahnenstange. Mit dem Erfolgsmodell der Riester-Rente, erinnert Bahr, habe die Schröder-Regierung auch klein angefangen.

Richtig ist, dass die Koalition bei ihrer Absprache für den „Pflege-Bahr“ auf einen Förderdeckel verzichtet hat. Auf 100 Millionen Euro beläuft sich die Summe, die Schäuble nun in seinem Haushaltsansatz für die Pflegevorsorge berücksichtigt. Dies gilt allerdings nur fürs Einstiegsjahr 2013. „Wir werden schauen, wie sich das dann weiterentwickelt“, sagt Bahr. Und dass es „die Logik“ des Vereinbarten sei, dass sich die Ausgaben mit dem Zuwachs an Vorsorgeverträgen auch erhöhten. Durchgerechnet würden die 100 Millionen für 1,67 Millionen Pflegepolicen reichen. Dass die Resonanz im ersten Jahr größer ist, sei kaum zu erwarten, heißt es. Bahr rechnet für die Startphase mit 1,5 Millionen Verträgen. Bei der Riester-Rente, seiner Bezugsgröße, seien es im ersten Jahr nur 1,3 Millionen gewesen.

Minister Daniel Bahr (hier mit Wolfgang Schäuble) hat sich durchgesetzt.
Minister Daniel Bahr (hier mit Wolfgang Schäuble) hat sich durchgesetzt.

© picture alliance / dpa

Das Problem dabei: Es gibt nicht wenige, die schon jetzt privat für die Pflege vorsorgen. Nach Angaben des Verbands der privaten Krankenversicherung hatten Ende 2011 bereits 1,88 Millionen eine private Zusatzvorsorge, und seither dürfte die Zahl weiter gestiegen sein. Für diese Alt-Verträge gibt es, wie es aussieht, vorerst keine Unterstützung.

Es sei eher unwahrscheinlich, dass die bisherigen Abschlüsse den aktuellen Förderkriterien entsprächen, sagt der Minister. Die fünf Euro pro Monat gibt es nämlich nur für sogenannte Tagegeld-Versicherungen. Aus ihnen wird dann pro Pflegetag und je nach Pflegestufe eine zuvor festgelegte Summe ausgezahlt. Bei der höchsten Pflegestufe muss sie mindestens 600 Euro im Monat betragen. Ansonsten kann der Umfang des Versicherungsschutzes frei bestimmt werden. Um die 60 Euro im Jahr zu erhalten, müssen aber mindestens 120 Euro an Beiträgen bezahlt werden. Und die Obergrenze für eine förderfähige Zusatzpolice ist das Doppelte des gesetzlichen Pflegeversicherungsvolumens.

Abschließen dürfen den „Pflege-Bahr“ gesetzlich wie privat Versicherte. Sie müssen nur mindestens 18 Jahre alt und dürfen nicht schon Pflegefall sein. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht, allerdings eine Karenzzeit von fünf Jahren nach Versicherungsabschluss. Das bedeutet, dass die Leistung erst danach in Anspruch genommen werden kann.

Freilich: Je älter der Versicherte, desto höher die Beiträge. Doch Bewerber ablehnen oder ihnen Gesundheitsprüfungen abverlangen, wie bei Privatpolicen üblich, dürfen die Versicherer bei der förderfähigen Pflegevorsorge nicht. Entsprechend gedämpft ist die Freude in der Versicherungswirtschaft. Die fünf Euro Zuschuss reichten kaum, um eine breit angelegte Vorsorge zu initiieren, heißt es dort. Zudem erschwere die untersagte Kundenselektierung die Kalkulation und treibe die Prämien in die Höhe.

Kritiker wie der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel sehen in Bahrs Gesetz dennoch nichts anderes als einen Vorstoß, von dem „einzig und allein die Versicherungswirtschaft“ profitiere. Für Menschen mit wenig Geld seien die Zuschüsse völlig unzureichend. So sehen es auch die Sozialverbände. Die Arbeiterwohlfahrt sprach von Klientelpolitik, der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht in dem Vorhaben den Abschied von der sozialen Pflegeversicherung. Und auch Caritas-Präsident Peter Neher fordert, die Steuermillionen lieber in die versprochene Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zu investieren.

Auch die Opposition ließ kein gutes Haar an den Koalitionsplänen. Der Pflege- Bahr diene einzig dem Zweck, die Renditen der Privatversicherer zu steigern, sagte SPD-Fraktionsvize Elke Ferner. Elisabeth Scharfenberg (Grüne) nannte die Pläne beschämend. Bahr wies diese Kritik als „verwunderlich“ zurück. Damit, so sagte er, stelle Rot-Grün dann doch auch ihre eigene Politik infrage. Schließlich sei die Förderung der privaten Pflegevorsorge eine vergleichbare Reaktion auf die Demografieprobleme wie die Riester-Rente.

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