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Kabinettsprotokolle veröffentlicht: Gorleben – eine zweifelhafte Wahl

In den siebziger Jahren befassten sich im Auftrag der niedersächsischen Landesregierung Arbeitsgruppen mit der Standortfindung für ein Atomendlager. Nun veröffentlichte Protokolle belegen, dass geologische Aspekte dabei eine Nebenrolle spielten.

Göttingen - Dass es bei der Auswahl von Gorleben zum Standort eines „nuklearen Entsorgungszentrums“ vor mehr als 30 Jahren nicht mit rechten wissenschaftlichen Dingen zuging, wurde schon länger vermutet. Am Montag wurden nun niedersächsische Kabinettsprotokolle aus den siebziger Jahren und andere Schriftwechsel bekannt. Sie belegen, dass geologische Aspekte bei der Benennung Gorlebens tatsächlich nur eine Nebenrolle spielten.

Nach den von der „Tageszeitung“ zitierten Dokumenten setzte die damalige niedersächsische Landesregierung von Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) 1977 vielmehr wegen der „Zonenrandlage“, der hohen Arbeitslosigkeit im strukturschwachen Wendland und einer großen, nicht bebauten Fläche über dem Salzstock auf Gorleben. Außer einem Endlager, so damals die Pläne, sollten in Gorleben auf einem zwölf Quadratkilometer umfassenden Areal auch eine atomare Wiederaufarbeitungsanlage, mehrere Zwischenlager und weitere Nuklearfabriken entstehen.

In den siebziger Jahren befassten sich im Auftrag der niedersächsischen Landesregierung zwei Arbeitsgruppen mit der Standortfindung. Ein Team um den Geologieprofessor Gerd Lüttig erkundete bundesweit hunderte Salzstöcke – Gorleben kam dabei nicht in die engste Auswahl. Zeitgleich machte sich eine interministerielle Arbeitsgruppe auf die Suche. Die von ihr favorisierten Standorte, darunter auch Gorleben, wurden mittels einer Punktetabelle bewertet. Unter geologischen Aspekten – eigentlich entscheidend für ein atomares Endlager – schnitt Gorleben miserabel ab, der Salzstock erreichte nur 32 von 266 möglichen Punkten. Wie aus den Kabinettsprotokollen und -vorlagen weiter hervorgeht, setzte Albrecht die Benennung von Gorleben damals gegen den ausdrücklichen Willen der Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) durch. Der Bund habe „Schwierigkeiten für die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR“ sowie Geldforderungen der DDR gefürchtet.

Die Einwände der Bundesregierung überzeugten Albrecht damals offenbar nicht. Nach Angaben des längst emeritierten Geologen Lüttig hatte es Gorleben dem niedersächsischen Ministerpräsidenten gerade wegen seiner Grenznähe angetan. „Er wollte einen Standort in der Nähe der damaligen Zonengrenze haben, weil die Ostzonalen, wie er immer sagte, uns die Geschichte mit ihrem Endlager Morsleben eingebrockt hatten“, sagte Lüttig dem Tagesspiegel. Reimar Paul

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