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Politik: „Kämpfen, kämpfen, kämpfen“

Italiens Regierungschef Berlusconi schwört der Justiz Rache, weil sein Prozess nicht wie gewünscht verlegt wird

Der Oberste Gerichtshof in Rom fasste sich kurz. In einem handgeschriebenen, nur wenige Worte umfassenden Urteil fügte er dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi die schwerste Niederlage seit seinem Amtsantritt vor knapp zwei Jahren zu: „Das Gericht weist die Anträge auf Verlegung zurück und verurteilt die Antragsteller zur Bezahlung der Verfahrenskosten“, hieß es denkbar knapp. Alles andere denn knapp fiel die Reaktion Berlusconis auf das Urteil aus, das die angestrebte Verlegung des Korruptionsprozesses gegen ihn von Mailand ins benachbarte Brescia verhinderte.

„Dann muss es Neuwahlen geben“, erklärte Umberto Bossi am Mittwochnachmittag. „Wenn diese linken Richter den Regierungschef verurteilen, dann stellen wir uns zur Wahl“, sagte etwa der Parteichef der separatistischen Lega Nord. Auch Berlusconi soll sich in Bossis Sinn zu Neuwahlen geäußert haben. Eine Idee, das weiß der Ministerpräsident, von der die Mitte-Rechts-Koalition profitieren könnte. Denn die Situation innerhalb der linken Opposition ist so verfahren, dass Wahlforscher wie Renato Mannheimer im Fall eines neuen Urnengangs einen Sieg der Regierungskoalition voraussehen.

Die Entscheidung der Kassationsrichter war von Berlusconi beileibe nicht erwartet worden, hatte er doch extra ein Gesetz erlassen, dass es Angeklagten wie ihm erlauben soll, immer dann, wenn die Voreingenommenheit eines Richters nachgewiesen wird, den Prozess einem anderen Gericht zu übertragen. Roms höchste Richter sahen das aber anders, und so müssen die Prozesse von Berlusconi und den übrigen Angeklagten, denen Korruption und Richterbestechung vorgeworfen wird, in Mailand bleiben. Die Folge: Italiens Ministerpräsident wird noch vor Ostern verurteilt – oder freigesprochen.

Berlusconi stimmte deshalb scharfe Töne an. In seiner Villa bei Mailand ließ er in seinem Arbeitszimmer ein kurzes Video aufnehmen und im Fernsehen ausstrahlen. „Mit unerhörten Worten, einmalig in der italienischen Nachkriegsgeschichte“, so Oppositionsführer Francesco Rutelli, beschimpfte er die unabhängige Justiz und kündigte einen Feldzug gegen sie an. „In einer liberalen Demokratie“, so die Worte des Regierungschefs, „sprechen Richter Recht und machen keine Politik“. Er unterstellte der italienischen Richterschaft, dass sie es auf ihn abgesehen habe. „Dagegen muss man kämpfen, kämpfen, kämpfen“. Er sei „das Opfer politischer Verfolgung“ und werde, wieder eine dreimalige Wiederholung, „bis zum Ende, bis zum Ende, bis zum Ende meine Pflicht als Ministerpräsident erfüllen“. Als seine Pflicht verstehe er eine grundlegende Verfassungsänderung, die eine „politisierte Justiz“ in ihre Schranken weisen soll.

Das Video wurde nicht nur von der Opposition als, so Rutelli, „schamlose Ausnutzung der Medienmacht“ kritisiert, sondern auch von der Richterschaft. Sie wendet sich nun an Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi. Er soll, so ein Sprecher des Mailänder Gerichtshofs, „den Angriff auf unsere verfassungsmäßig garantierte Unabhängigkeit abwehren“. Auch die Mitglieder des in Rom ansässigen Kassationsgerichts sind, so Verfassungsrechtler Paolo Ridola, „entsetzt und erstaunt“ über die aggressive Vorgehensweise des Ministerpräsidenten. Auch sie, sagte Ridola, wollten sich an Ciampi wenden, „damit die ständigen Versuche, die italienische Justiz nach den Bedürfnissen Berlusconis zu verbiegen, endlich ein Ende finden.“ „Was sich hier in Italien abspielt“, so der ehemalige Star-Untersuchungsrichter Antonio Di Pietro, der selbst in Mailand gegen Berlusconi ermittelte, „ist keiner europäischen Demokratie würdig“.

Thomas Migge[Rom]

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