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Politik: Kämpfer nach vorn

Die deutschen Ärzte wählen Frank Ulrich Montgomery zum neuen Präsidenten / Ärztetag stimmt zudem für begrenzte PID und striktes Verbot der Sterbehilfe

Das Ergebnis war keine Überraschung, auch wenn manche bis zuletzt die Unberechenbarkeit der Delegierten ins Feld geführt und einige dem selbstbewussten Hamburger durchaus eine Niederlage gegönnt hätten. Mit klarer Mehrheit wurde am Donnerstag der bisherige Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, zum neuen Chefarzt der Republik befördert. Der 59-jährige Radiologe, der 18 Jahre lang an der Spitze des Klinikärzteverbandes Marburger Bund stand, löst damit den 70-jährigen Jörg-Dietrich Hoppe ab, der die 440 000 Mediziner zwölf Jahre lang vertreten und nicht mehr kandidiert hatte.

„Ich möchte Sie weder enttäuschen noch überraschen und nehme die Wahl an“, sagte Montgomery und bedankte sich bei den 250 Delegierten für den Vertrauensbeweis. Mit 128 Stimmen hatte er sich im zweiten Wahlgang gegen die verbliebenen zwei von insgesamt vier Gegenkandidaten durchgesetzt. Sein stärkster Rivale, der Berliner Ärztekammerpräsident Günther Jonitz, kam auf 94 Stimmen. Er war Montgomery bereits vor vier Jahren bei der Wahl zum Vizepräsidenten knapp unterlegen. Zu Montgomerys Stellvertretern wurden Martina Wenker und Max Kaplan gewählt.

Zuvor hatte Montgomery versprochen, dass es mit ihm „sehr viel mehr Einmischung“ in die Gesundheits- und Sozialpolitik geben werde. Gerade weil man womöglich schon bald mit einer anderen Regierung rechnen müsse, benötige die Ärzteschaft jemanden mit „Stärke, Kraft, Darstellungs- und Ausdrucksfähigkeit“. In seiner Zeit beim Marburger Bund sei es gelungen, den Klinikärzten „wieder einen aufrechten Gang zu vermitteln“.

Und vorexerziert, welche Druckmittel die Ärzte so haben. Unter dem damaligen Verbandschef gab es nicht nur nie dagewesene Medizinerstreiks, mit denen monatelang Kliniken lahmgelegt wurden. Montgomery schaffte auch die Loslösung von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, von der sich die Klinikmediziner schlecht vertreten fühlten, und den Aufbau einer eigenen schlagkräftigen Gewerkschaftstruppe. „Wir hoffen“, so drohte der neue Ärztepräsident vor wenigen Tagen per Interview, „der Politik nicht klarer machen zu müssen, welche Möglichkeiten der öffentlichen Auseinandersetzung es gibt“. Und vor den Delegierten stellte er klar, dass eine gute Patientenversorgung nur denkbar sei, „wenn es gelingt, die Arbeits- und Einkommensbedingungen der Ärzte zu verbessern“.

Montgomery kündigte an, die Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte zur „Chefsache“ zu machen. „Wir brauchen endlich die Reform, und zwar noch in dieser Legislaturperiode.“Öffnungsklauseln, über die Privatversicherer Einfluss auf Leistungsmengen und Honorare nehmen könnten, dürfe es nicht geben. Gleichzeitig versprach der Präsident, bei den parlamentarischen Beratungen des Versorgungsgesetzes noch auf Änderungen zu drängen und sich weiter in Sachen Patientenrechte zu engagieren. Das verdienstvolle Werk seines Vorgängers, die Ärztekammer „zur ethisch-moralischen Instanz“ zu formen, werde er fortsetzen – notfalls auch „wider den Zeitgeist“.

Und dem Dauerkonflikt zwischen niedergelassenen und stationär tätigen Medizinern widmete sich der Klinik-Oberarzt in seiner Bewerbungsrede mit biografischen Einlassungen. Er sei verheiratet mit einer Allgemeinmedizinerin und kenne die Probleme der Praxisärzte dadurch „vom Abendbrottisch“.

Am Mittwoch hatten die Vertreter der Ärzteschaft ihre Positionen zu wichtigen medizin-ethischen Grundsatzfragen neu bestimmt: Sie plädierten für ein Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung, für eine begrenzte Zulassung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) und für eine Lockerung der Regeln für die Organentnahme. Die Klarstellung zur Sterbehilfe im Berufsrecht der Ärzte kam erst nach kontroverser Debatte zustande. Letztlich folgten die Delegierten aber einem Vorschlag des Vorstands der Bundesärztekammer: Ärzten ist es demnach „verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“. Hoppe hatte in den vergangenen Monaten eine Lockerung angedeutet, Montgomery jedoch auf ein striktes Verbot gedrungen. Gleichzeitig forderte der Ärztetag eine bessere Versorgung für Sterbende mit dem Ziel, dass sie ihre letzte Lebensphase möglichst schmerzfrei und zu Hause verbringen können.

Bei der Präimplantationsdiagnostik revidierte der Ärztetag einen Beschluss von 2002. Damals hatte eine knappe Mehrheit solche Gentests an Embryonen aus künstlicher Befruchtung abgelehnt. Diesmal beschlossen die Delegierten: „Die ethische Abwägung spricht für eineZulassung der PID in engen Grenzen und unter kontrollierten Voraussetzungen.“ Sie soll Paaren mit Risiken für bestimmte Krankheiten gewährt werden. Tests auf das Geschlecht eines Babys oder zur Begrenzung des Risikos bei älteren Eltern soll es nicht geben. mit dapd

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