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Kampf für die Zukunft des Verbrenners: In Brüssel ist die Bundesregierung noch lange nicht am Ziel
Deutschland will das strenge europaweite Verbot für neue Verbrenner-Autos im Jahr 2035 kippen. Ein EU-Kommissar macht der Bundesregierung Hoffnung. Doch am Ende hängt Merz von einer alten Rivalin ab.
- Claudius Mackes
- Caspar Schwietering
Stand:
Am Wochenende hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) noch einmal den Druck erhöht. „Wir werden an diesem sturen und falschen Verbrennerverbot in der Europäischen Union nicht weiter festhalten“, sagte Merz bei einem Landesparteitag der sachsen-anhaltischen CDU in Magdeburg. „Wir müssen ein starker Industriestandort bleiben.“
Deutlicher konnte der Kanzler Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) nicht auffordern, die Regel aufzuheben, nach der nach 2035 in Europa keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor verkauft werden dürfen. Zugleich bekräftigte Merz damit den Beschluss des schwarz-roten Koalitionsausschusses, wonach auch nach 2035 neue Hybridfahrzeuge und „hocheffiziente Verbrenner“ verkauft werden sollen.
Eine entsprechende Aufforderung zu handeln hat Merz von der Leyen vergangenen Freitag per Brief geschickt. Nach Aussagen des griechischen EU-Verkehrskommissars konnte der Bundeskanzler nun den Eindruck gewinnen, am Ziel zu sein.
Wir werden an diesem sturen und falschen Verbrennerverbot in der Europäischen Union nicht weiter festhalten.
Friedrich Merz, Bundeskanzler (CDU)
„Wir sind offen für alle Technologien“, sagte Apostolos Tzitzikostas am Montagabend dem „Handelsblatt“. Damit fachte er die EU-Debatte zum „Verbrenner-Aus“ neu an. Das Blatt berichtete mit Verweis auf mehrere Kommissionsmitglieder, die Kommission erwäge, auch nach 2035 Verbrennungsmotoren zuzulassen. Tzitzikostas erklärte, dies sei möglich, sofern sie mit E-Fuels oder Biokraftstoffen betrieben werden. Ein Satz voller Signalwirkung für die Industrie. Und doch bleibt die Frage: Wie belastbar ist die Ankündigung wirklich?
Die Entscheidung wird vertagt
In Brüssel trifft man dieser Tage auf eine Mischung aus Staunen, Skepsis und Schulterzucken. Denn ja, die Aussagen von Tzitzikostas stehen im Raum, aber ob sie genauso im finalen „Autopaket“ landen, ist offen.
Relativ klar scheint jedoch die Aussage des Verkehrskommissars zu einer Verschiebung der Präsentation, die ursprünglich für den 10. Dezember geplant war. Der Aufschub deutet eher darauf hin, dass in der Kommission intern noch längst nicht alles geklärt ist. „Einige Wochen“ Verzögerung, das klingt nach politischer Restunsicherheit.
Auf Nachfrage im täglichen Pressebriefing bestätigte die Kommission die Verschiebung nicht ausdrücklich, deutete sie aber nochmal an. Man habe erst am Freitag den deutschen Input erhalten, weitere Stellungnahmen von Mitgliedstaaten fehlten noch, erklärte Sprecherin Anna-Kaisa Itkonen. Erst wenn alle Rückmeldungen ausgewertet seien, werde über die nächsten Schritte - und damit auch den Zeitplan - entschieden.
Tzitzikostas bekleidet zweifellos ein hohes Amt, und seine Aussagen zur möglichen Öffnung des Verbrenner-Aus tragen politisches Gewicht. Doch ob der Verkehrskommissar tatsächlich die Fäden in der Hand hält, ist fraglich.
Merz muss vor allem eine Frau überzeugen
Wie Tagesspiegel Background aus Kommissionskreisen hört, genießt die Arbeit des Kommissars derzeit keinen guten Ruf; vereinzelt ist sogar von Überlegungen zu einem vorzeitigen Rückzug die Rede. Eine Bestätigung hierzu liegt Tagesspiegel Background offiziell nicht vor.
Zum anderen liegt der Kern des Dossiers nicht bei ihm. Die CO₂-Standards für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge sind Klimagesetzgebung und liegen daher auch intern im Bereich Umwelt und Klima. Damit fällt der größte Teil des Review-Prozesses in die Zuständigkeit der Generaldirektion Klimapolitik (DG Clima), der Wopke Hoekstra vorsteht.
Sie verfasst den Gesetzgebungsvorschlag, führt die Folgenabschätzung durch und steuert die interne Abstimmung. Die Generaldirektion Mobilität von Tzitzikostas wird zwar als betroffene Fachdirektion eng konsultiert, führt aber nicht. Auch DG Industrie ist eingebunden, weil Industrieinteressen, insbesondere der Automobilbranche, eine große Rolle spielen.

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Bleibt die Frage, wie stark Aussagen einzelner Generaldirektionen überhaupt im Büro der Kommissionspräsidentin durchdringen. Denn dort, im engen Kreis um Ursula von der Leyen, werden die großen Linien gezogen. Ihre Machtfülle hat in dieser Kommission spürbar zugenommen. Viele EU-Experten in Brüssel sprechen von einem „deutlich strafferen Führungsstil“ als in früheren Amtszeiten.
Das für die Autoindustrie zuständige Bundeswirtschaftsministerium reagiert dann auch zurückhaltend auf die Aussagen von Tzitzikostas. „Bisher liegt uns noch kein Kommissionsvorschlag vor“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. „Daher können wir dem nicht vorgreifen.“ Grundsätzlich habe die Bundesregierung mit dem Beschluss im Koalitionsausschuss ein klares und gemeinsames Signal nach Brüssel geschickt, erläuterte die Sprecherin.
Auch Friedrich Merz wird klar sein, dass er am Ende von der Leyen, die lange eine parteiinterne Gegnerin war, überzeugen muss, wenn sich die EU-Kommission an seine Seite stellen soll. Danach muss er sicherstellen, dass die deutsche Position auch im EU-Parlament und – das dürfte deutlich schwieriger werden – im Kreis der Mitgliedstaaten eine qualifizierte Mehrheit erhält.
Am Wochenende wollte Merz in Magdeburg keinen Zweifel daran lassen, dass ihm all das gelingen wird. Aber bei der Aufhebung des Verbrenner-Aus ist die Bundesregierung in Brüssel noch lange nicht am Ziel.
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