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Kampf gegen Al Qaida: USA eröffnen dritte Terrorfront im Jemen

Terrorgruppen wie al-Qaida bilden in Jemen Kämpfer aus und planen von dort Anschläge. US-Geheimdienste und Spezialkommandos eröffnen eine neue Front im Antiterror-Kampf.

Terroristen, gewaltbereite Islamisten, Piraten und Waffenhändler – im Jemen finden Extremisten und Kriminelle einen sicheren Unterschlupf. Seit Jahren gilt das Land am Horn von Aden in Sicherheitskreisen als ideales Gebiet für militante Gruppen, um neue Kämpfer zu rekrutieren und ihre Sympathisanten aus der ganzen Welt auszubilden, als Rückzugsort, um nach Anschlägen im Westen der Strafverfolgung zu entgehen – aber auch als Basis für Operationen. Ausländer wurden in den vergangenen Jahren immer wieder von jemenitischen Extremisten gekidnappt oder getötet. Im Juni 2009 entführten Extremisten in der Provinz Saada sieben Deutsche und zwei weitere Ausländer – drei Frauen aus der Gruppe wurden kurz darauf ermordet.

Al-Qaida und regionale Terrorgruppen bauen im Jemen ähnliche Strukturen auf, wie sie vor dem Einmarsch der Amerikaner in Afghanistan vorhanden waren. Auch Umar Faruk Abdulmutallab, der an Weihnachten in einem Flugzeug versucht hat, eine am Körper versteckte Bombe zu zünden, soll im Jemen in einem Terrorlager gedrillt worden sein. Der Amokläufer, der im US-Stützpunkt Fort Hood 13 Kameraden erschoss, hatte ebenfalls Kontakte in den Jemen. Er stand im regen Austausch mit dem radikalen Prediger Anwar al-Awlaki.

Amerikanische Geheimdienste haben den Jemen deshalb bereits vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verstärkt ins Visier genommen: Im Oktober 2000 griffen Selbstmordattentäter mit einem mit Sprengstoff beladenen Schlauchboot den amerikanischen Zerstörer Cole im jemenitischen Hafen Aden an, 17 US-Soldaten starben bei dem Anschlag.

Seit dem vergangenen Jahr hat die Central Intelligence Agency (CIA) ihre Operationen im Jemen verstärkt. Mehrere Agenten mit Felderfahrung sollen nach Angaben der New York Times dort den Kampf gegen den Terror voranbringen. Die CIA griff in den vergangenen Jahren Ziele im Jemen an. Wenige Details der Geheimoperationen sind bekannt: Am 3. November 2002 beschossen amerikanische Spezialkommandos ein Auto. Der Geheimdienst tötete damit fünf mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder, darunter war nach Angaben der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) auch Qaid Salim Sinah al-Harithi, einer der wichtigsten Verbindungsmänner des Terrornetzwerkes auf der arabischen Halbinsel.

Die New York Times schreibt von einer dritten Front, welche die USA im Krieg gegen den Terror nach Irak und Afghanistan nun eröffnen. Allein für die Ausbildung der jemenitischen Sicherheitskräfte durch US-Militärs geben die USA in den kommenden anderthalb Jahren rund 70 Millionen US-Dollar aus.

Bereits die Regierung von George W. Bush verstärkte die Zusammenarbeit mit schwachen Staaten, um zu verhindern, dass nach dem Angriff auf Afghanistan weitere Länder zu Rückzugsgebieten von Terroristen werden. Sie setzte dabei auf die Ausrüstung und Ausbildung von Polizisten im Ausland, auf die Stationierung von amerikanischen Soldaten und im Notfall auf die Einsätze von militärischen Spezialkommandos. Im Jemen reichte das Engagement der USA nicht aus, um den Staatszerfall aufzuhalten, obwohl das Land neben Somalia und dem Sudan weit oben auf der Prioritätenliste der Amerikaner stand.

Rund 800 Soldaten der US Special Forces entsandte Bush in die Region. Die Operation Enduring Freedom (OEF), ein Zusammenschluss einer Koalition der Willigen unter Führung der USA, operiert zwischen diesen Ländern am Horn von Afrika und am Golf von Aden: Kriegsschiffe, auch deutsche Fregatten, sollen Waffen- und Menschenschmuggel verhindern, um den Terrorismus in Ostafrika und Arabien zu bekämpfen. Mit Luft- und Seeüberwachung sollen Flucht- und Transitwege von Terroristen abgeschnitten werden.

Die jemenitische Regierung ist schwach. Terroristen finden vor allem in den Stammesgebieten in den dünn besiedelten Regionen al-Jawf, Marib und Shabua sowie die Ostprovinz Hadramawt, aus der die Familie von Osama bin Laden stammt, Unterschlupf. Im Osten verübten Terroristen Anschläge auf Militärstützpunkte und Regierungseinrichtungen. Terrororganisationen wie Islamischer Dschihad im Jemen haben auch ausländische Kämpfer, etwa aus Ägypten und Somalia, in ihren Reihen.

Der Jemen gilt als Brückenkopf der Qaida zwischen Afrika und der arabischen Halbinsel. Mehr als 50.000 Mudschahedin kehrten nach Angaben der International Crisis Group Anfang der neunziger Jahre aus Afghanistan in den Jemen zurück. Sie hatten an der Seite islamistischer Freischärler gegen die Russen gekämpft. In Jemen bildeten sie lose Netzwerke und bekämpften sozialistische Gruppen und später der jemenitische Regierung. Die Afghanistan-Veteranen im Jemen knüpften zudem Verbindungen zu alten Kampfgefährten, die sich nach Somalia, den Sudan, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zurückgezogen hatten.

Die Rückkehrer gründeten Gruppen wie die Islamic Army of Aden, der Islamische Dschihad in Jemen und andere Netzwerke. Sie unterhalten dort Lager und Rekrutierungsbüros. Auch die ägyptische Terrororganisation al-Jihad baute dort mehrere Lager auf. 2001 ging al-Jihad im Netzwerk al-Qaida auf, damit übernahm die Organisation von Osama bin Laden auch die Strukturen von al-Jihad im Jemen. Die südostasiatische Islamistengruppe Jemaah Islamiyah, die in Südostasien Bombenanschläge verübte, ließ einige ihrer Kämpfer in Ausbildungslagern im Jemen schulen.

Islamisten aus Somalia flohen 2006 und 2007 aus Somalia in den Jemen, nachdem die äthiopische Armee die Extremisten bekämpfte. Über den Golf von Aden und den Indischen Ozean lieferten jemenitische Schmuggler zudem Waffen an Islamisten in Äthiopien und Somalia. Auch die in Kenia bei Anschlägen verwendeten Raketen und Sprengstoffe sollen über den Jemen nach Mombasa geschmuggelt worden sein.

Der Jemen ist ein zerfallender Staat – echte Staatsstrukturen gab es dort eigentlich noch nie und befinden sich erst im Aufbau. Von einem Gewaltmonopol des Staates kann nicht gesprochen werden. Das jemenitische Innenministerium gab 2004 an, dass sich 60 Millionen Kleinwaffen im Land befinden – bei rund 22 Millionen Einwohnern. In vielen Landesteilen haben Clanchefs oder Warlords das Sagen. Bislang versagt die Regierung bei der Kontrolle der Grenzen, Korruption und Vetternwirtschaft sind an der Tagesordnung, lokale Unruhen werden meist brutal unterdrückt, viele Menschen verlassen sich auf ihren Clan, nicht auf den Staat. Der Jemen gilt als das ärmste Land der arabischen Welt. Jeder Vierte ist offiziell arbeitslos.

Da es kein umfassendes staatliches Bildungssystem gibt, haben von Saudi-Arabien finanzierte Koranschulen einen hohen Stellenwert im Jemen. In vielen Einrichtungen vermitteln die Lehrer ein fundamentalistisches Bild des Islam und preisen den kleinen Dschihad – die Bekehrung der Ungläubigen mit Feuer und Schwert. In den achtziger Jahren riefen Lehrer in zahlreichen Koranschulen zur Unterstützung der Mudschahedin in Afghanistan und zum Krieg gegen die Russen auf. Ähnlich wie in Pakistan dienen einige dieser Religionsschulen direkt zur Rekrutierung von Kämpfern für al-Qaida.

2009 und 2008 nahmen jemenitische Sicherheitskräfte mehrfach hochrangige al-Qaida-Vertreter fest oder töteten sie. Mehrere Terroristen aus Saudi-Arabien wurden an das Nachbarland ausgeliefert. Die jemenitische Polizei und das Militär haben trotz zahlreicher Rückschläge in den vergangenen Jahren hunderte Islamisten festgenommen. Den Sicherheitsexperten in den USA reicht das längst noch nicht aus.  "Der Jemen wird nun zu einem der Zentren des Kampfes", sagte der Senator Joseph Lieberman, Vorsitzender des Ausschusses für Heimatschutz, der New York Times. Er kündigte an, die amerikanische Präsenz im Jemen auszubauen. Auch unter Präsident Barack Obama geht der Krieg gegen den Terror weiter.

Quelle: ZEIT ONLINE

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