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Weitreichende Pläne. Sämtliche Passagiere in „Risikogebiete“ sollen künftig kontrolliert und ihre Daten mit Fahndungsdateien abgeglichen werden.

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Kampf gegen den Terror: Deutschland kontrolliert auch eigene Bürger an der Grenze

Im Kampf gegen den Terror intensiviert Deutschland Personenkontrollen. Bisher müssen EU-Bürger sich an den Außengrenzen Europas nur ausweisen können. Weiter gehende Kontrollen sind nur auf konkreten Verdacht hin und nicht systematisch erlaubt.

Deutschland unterzieht im Zuge des Anti-Terror-Kampfs auch die eigenen Bürger und die anderer EU-Länder verstärkten Personenkontrollen an der Grenze. Die Bundesregierung begrüße entsprechende Empfehlungen der EU-Kommission vom Dezember, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, die dem Tagesspiegel vorliegt. Es sei „wohl unbestritten“, dass „eine erhöhte Fahndungsintensität bei Grenzkontrollen an den Schengen-Außengrenzen einen Mehrwert für die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union darstellt“.

Risikoziel Istanbul?

Bisher müssen EU-Bürger sich an den Außengrenzen Europas nur ausweisen können; weiter gehende Kontrollen sind nur auf konkreten Verdacht hin und nicht systematisch erlaubt. Nach „informellen Empfehlungen“ der EU-Kommission vom Dezember letzten Jahres könnten in Zukunft allerdings sämtliche Passagiere von Flugzeugen aus Spannungsgebieten oder deren Nähe kontrolliert, ihre Daten mit Fahndungsdateien abgeglichen und Reisemuster erstellt werden.

Ob es auch schon Absprachen über Kontrollen je nach Geschlecht, Alter, Aussehen, Religion und ethnischer Herkunft gebe, wollte die Bundesregierung nicht offen, sondern nur vertraulich beantworten. Nach Kenntnis des Linken-Abgeordneten Andrej Hunko geht es aber etwa um Flüge von und nach Istanbul, deren Passagiere besonders kontrolliert werden sollen – unter besonderer Berücksichtigung von Männern eines bestimmten Alters.

Schengen-Regeln neu ausgelegt

Um die Bewegungsfreiheit von EU-Bürgern einzuschränken, müsste der entsprechende Paragraf des Schengener Grenzkodex geändert werden – wozu es eine Mehrheit im Europäischen Parlament bräuchte. Das Kommissionspapier von Dezember nennt die Änderungswünsche allerdings nur eine „Interpretation“ des Kodex. Auch die Bundesregierung schreibt, sie lägen „innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens“. Man wolle sie lediglich im Leitfaden für Grenzbeamte, dem sogenannten Schengen-Handbuch, festhalten und habe sich dafür seit letztem Jahr auch schon mehrmals in Brüssel eingesetzt.

Andrej Hunko allerdings hält die Pläne von EU-Kommission und Bundesregierung nicht für eine Interpretation, sondern für einen Bruch des Grenzkodex. Im Falle von EU-Bürgern seien "flächendeckende Kontrollen genauso ausgeschlossen wie Kontrollen zu festgelegten Zeiten. Ein von mir in Auftrag gegebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bestätigt das.“ Das Problem der ausländischen Kämpfer sei zweifellos bedrohlich: „Das erlaubt aber nicht, bestehende Gesetze zu dehnen oder sogar zu brechen.“ Die als größte Errungenschaft der EU vielgepriesene Freizügigkeit werde so „vollends Makulatur“.

Innenministerium: Abfragen wurden intensiviert

Tatsächlich war die Freizügigkeit in der EU in den letzten Jahren mehrmals bedroht, allerdings bisher an den Binnengrenzen. Dänemark führte 2011 auf Druck der rechtspopulistischen Partei zeitweise Kontrollen an der Grenze zu Deutschland wieder ein; im Jahr darauf wollten Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und sein französischer Kollege Claude Guéant zurück zur nationalen Grenzkontrolle.

Die jetzigen Pläne sind vermutlich schon Wirklichkeit. Die Wiener Tageszeitung „Der Standard“ zitierte im Januar die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, man habe „bereits im Herbst mit Deutschland begonnen, Einreisende aus ‚Risiko-Destinationen‘ systematisch zu kontrollieren“. Andere Länder müssten dem Beispiel nun folgen. Das Bundesinnenministerium in Berlin bestätigte auf Tagesspiegel-Anfrage, dass "Fahndungsabfragen bei Grenzkontrollen an den Schengen-Außengrenzen intensiviert worden." seien. Zu den Kriterien könne man sich aber nicht äußern, „um polizeiliche Maßnahmen nicht zu gefährden", erklärte eine Sprecherin.

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