zum Hauptinhalt
Bei landesweiten Razzien gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger sind in der Türkei mehr als tausend Verdächtige festgenommen worden.

© Depo Photos/Depo Photos via ZUMA Wire/dpa

Kampf gegen Gülen-Bewegung: Türkei will neue Verschwörung vereitelt haben

Die türkische Regierung hat angeblich ein neues Netzwerk von Gülen-Anhängern im Polizeiapparat aufgedeckt. Es gibt zahlreiche Festnahmen.

Ein Mikrochip soll der Auslöser für eine der größten Säuberungswellen in der Türkei seit dem Putsch vom vergangenen Jahr sein. Dem türkischen Geheimdienst MIT fiel demnach eine Datenkarte mit mehr als 7000 Namen angeblicher Gülenisten in der Polizei in die Hände, berichteten türkische Medien am Donnerstag. Dabei soll es sich um „geheime Imame“ des Predigers Fethullah Gülen handeln, die nach dem vereitelten Putsch versuchten, eine neue Struktur innerhalb der Polizei aufzubauen. 9103 Polizeibeamte seien suspendiert und 1448 festgenommen worden, gab das Innenministerium in Ankara an. Dies dürfte aber nur ein Zwischenstand sein. „Wir werden erbarmungslos sein“, sagte Innenminister Süleyman Soylu.

Im Zentrum der jüngsten Säuberungen steht offenbar die Generaldirektion für Sicherheit, die Verwaltungsspitze der türkischen Polizei mit ihren größten Behörden in Ankara und Istanbul. Suspendierungen wurden aber auch erneut gegen Beamte in den Schaltzentralen der Macht im Präsidentenpalast, am Sitz des Regierungschefs und im Parlament ausgesprochen. Zusammen mit der Justiz galt die Polizei von jeher als eine Bastion des Gülen-Netzwerks. Zwangsversetzungen, Suspendierungen und strafrechtliche Ermittlungen gegen Beamte begannen im großen Stil bereits vor drei Jahren.

Gegen mehr als 7600 Polizisten laufen Ermittlungen

Seit dem Putsch vom Juli 2016 aber, für den die türkische Führung ebenfalls ihren früheren Verbündeten Gülen verantwortlich macht, haben die Säuberungen noch erheblich an Umfang zugenommen. Gegen mehr als 7600 Polizisten laufen bereits Gerichtsverfahren wegen Verschwörung gegen den Staat; die jüngste Großrazzia, die in der Nacht zum Mittwoch begann, wird diese Zahl noch einmal erhöhen. Dem gegenüber sind die Soldaten, denen die Beteiligung am Putsch angelastet wird, mit bisher 6325 Angeklagten nur die zweitgrößte Gruppe der Angeklagten.

Die neue Welle der Festnahmen kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt für Ankara. Außenpolitisch stehen Erdogan und seine Regierung sowohl wegen ihres rabiaten Vorgehens gegen Andersdenkende und angeblich illoyale Beamte als auch wegen des umstrittenen Verfassungsreferendums unter Druck.

Bundeskanzlerin Angela Merkel deutete am Donnerstag indes an, dass sie die Türkei trotz aller Meinungsverschiedenheiten als Partnerstaat nicht fallen lassen will. Sie wolle sich weiterhin bemühen, mit Ankara zu einem konstruktiven Dialog zurückzukehren, sagte die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu gab indes seine Teilnahme am informellen Treffen der EU-Außenminister in Malta am heutigen Freitag bekannt. Dort wie beim Sondergipfel der EU-Staaten am Samstag soll auch über die künftigen Beziehungen zur Türkei gesprochen werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false