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Nähe ändert die Wahrnehmung. Zu dieser Solidaritätskundgebung zur Unterstützung der notleidenden Menschen im Nordirak hatte die syrisch-orthodoxe Kirche in Deutschland aufgerufen.

© epd

Kampf gegen IS im Irak: Bischöfe streiten über Waffenlieferungen

Die katholischen Bischöfe mit dem Papst an der Spitze sprechen sich für Waffenhilfe für die kurdischen Kämpfer im Irak aus - evangelische Christen tun sich mit Militäreinsätzen schwerer.

Papst Franziskus gab vor einer Woche die Linie vor: „In Fällen, in denen es eine ungerechte Aggression gibt, ist es legitim, den Angreifer zu stoppen“, sagte er mit Blick auf das Morden der Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak. Gleichzeitig unterstrich er, dass es sich dabei nur um ein „Stoppen“ handeln dürfe, nicht um „bombardieren oder Krieg führen“. Auch dürfe so ein „Anhalten“ nicht von einzelnen Staaten ausgehen, sondern müsse im Einvernehmen mit den Vereinten Nationen geschehen. „Man sollte im Kopf behalten, wie oft mit der Entschuldigung, einen Angreifer zu stoppen, ein Eroberungskrieg begonnen wurde.“

Vor drei Tagen ging die Deutsche Bischofskonferenz einen Schritt weiter und stützte ausdrücklich die geplante Waffenlieferung an die kurdischen Kämpfer im Irak. „Militärische Maßnahmen oder Waffenlieferungen an eine Konfliktpartei dürfen niemals ein selbstverständliches Mittel der Friedens- und Sicherheitspolitik sein“, erklärten die katholischen Bischöfe. Aber als Ultima Ratio dürfe man sie nicht ausschließen – eben dann, wenn es keine „gewaltärmeren Handlungsoptionen“ gebe, um die Ausrottung ganzer Volksgruppen oder massenhafte schwerste Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Auf diese Linie haben sich die Bischöfe 2010 verständigt in ihrem Grundsatzpapier „Gerechter Friede“. Der Terror der IS-Milizen ist nach dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ein weiterer konkreter Anlass, um die Theorie auf die Praxis anzuwenden. Doch so einig, wie die Erklärung der Bischofskonferenz von Montag suggeriert, sind sich die katholischen Bischöfe denn doch nicht. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick etwa wandte sich klar gegen Waffenlieferungen an die Kurden.

Noch viel schwerer tut sich die evangelische Kirche mit Militäreinsätzen und Waffenlieferungen, auch jetzt, da die IS-Terroristen ihr mörderisches Treiben fortsetzen und sich erklärtermaßen von keiner internationalen Diplomatie oder Autorität abhalten lassen wollen. Radikal-Pazifisten wie die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann, die militärisches Eingreifen grundsätzlich ablehnt, am liebsten die Bundeswehr auflösen würde und auch Waffenlieferungen an die Kurden im Irak für den „falschen Weg“ hält, sind an der Kirchenspitze heute in der Minderheit. Auch die EKD hat sich 2007 auf die Linie des „Gerechten Friedens“ geeinigt, wonach diplomatische, gewaltfreie und präventive Bemühungen bei der Lösung von Konflikten Vorrang haben müssen, Gewaltanwendung als letztes Mittel aber nicht ausgeschlossen werden darf. Doch lässt die Denkschrift von 2007 viel Raum für Interpretationen und unterschiedliche Akzentuierungen. Das zeigte sich bei der Bewertung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Die EKD konnte sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen – auch nicht im Nachhinein.

Der Export von Waffen ist heikel - aber wie stoppt man die Terroristen?

Wie weit die Interpretationen auseinander gehen, wird sich eben auch in der aktuellen Frage deutlich, wie man die IS-Kämpfer stoppen sollte. Handelt es sich dabei um eine solche Situation, in der alle gewaltfreien Mittel ausgereizt sind und der Einsatz von Gegengewalt gerechtfertigt ist? Braucht es erst ein UN-Mandat dazu? Sollte der Westen selbst eingreifen oder Waffen zur Selbstverteidigung liefern? Gibt es einen Weg, auf dem man sich nicht mitschuldig macht? Einfache Antworten gibt es auf diese Fragen nicht.

So weit wie Käßmann würden der Berliner Bischof Dröge und der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms nicht gehen. Doch auch sie sehen Waffenlieferungen an die Kurden „äußerst kritisch“. „Waffen aus der Hand zu geben, ohne personell dafür Verantwortung zu übernehmen, das öffnet Tür und Tor für Missbrauch“, sagte Dröge am Dienstag. Militärische Interventionen müssten von der Weltgemeinschaft abgestimmt und völkerrechtlich angemessen legitimiert werden. Dröge sieht im Irak auch die Amerikaner in der „historisch größeren Verantwortung als andere Staaten“.

Moralisch saubere Lösungen gibt es nicht

Prälat Martin Dutzmann, der Bevollmächtigte der EKD beim Bund und bis vor kurzem Militärbischof, würde hingegen Waffenlieferungen „nicht verurteilen“. Das Evangelium gebiete zwar Gewaltverzicht, sagte Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der EKD, dem Tagesspiegel. Dem Evangelium zu folgen, bedeute aber nicht „ zuzusehen, wie andere gequält, geköpft, versklavt werden“. Den Menschen, die im Nordirak vom IS gejagt und gemordet werden, müsse man helfen. „Wer Nothilfe übt, muss sich aber auch Gedanken darüber machen, wie das Wüten der IS, das die Not verursacht, eingegrenzt und möglichst beendet werden kann, damit die humanitäre Hilfe auch nachhaltig wirkt. In diesem Zusammenhang kann über Waffenlieferung und militärische Hilfe nachgedacht werden“, sagte Schneider. Er betonte zugleich: „Es geht also nicht um Waffengeschäfte, sondern um Hilfe für den Kampf gegen die Verursacher der Not und die Absicherung der humanitären Hilfe.“

Ähnlich sieht es der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber. „Unsere Verantwortung für den Frieden kann im äußersten Notfall den Einsatz von Waffengewalt einschließen“, sagte der evangelische Theologe in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Die Frage lautet nicht nur: Will ich mich selber verteidigen? Sondern auch: Verteidige ich andere? Wir haben Verantwortung für andere und werden auch dann schuldig, wenn wir die Opfer des IS alleinlassen.“ Moralisch saubere Lösungen gibt es nicht. Das sieht auch Prälat Dutzmann: „Wir befinden uns in einem Dilemma, in dem es richtig oder falsch eindeutig nicht gibt.“

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