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Jens Spahn, Armin Laschet, Friedrich Merz im November 2018.

© dpa

Kampf um die CDU-Spitze: Merz oder Laschet? Wer von beiden die besseren Chancen hat

Die Suche nach einem neuen Vorsitzenden läuft. Einigkeit zwischen den Kontrahenten wäre die beste Lösung für die Partei, sagt Oskar Niedermayer. Ein Interview.

Prof. Dr. Oskar Niedermayer lehrte am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Im Jahr 2017 erhielt er den Otto-Kirchheimer-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen in der Parteienforschung. 

Herr Niedermayer, ist der Vorgang, der durch den angekündigten Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer passiert, ein historischer Bruch für die CDU?
Mit solchen großen Worten sollte man immer ein bisschen vorsichtig sein. Aber es ist schon richtig, dass die CDU in einer Krise steckt. Und das nicht erst jetzt nach dem Rücktritt von Kramp-Karrenbauer, sondern durchaus schon längere Zeit. Das ist jetzt sozusagen kumuliert in den Thüringer Ereignissen und dann eben in dem Rücktritt.

[Mehr zum Thema: Die Höhen und Tiefen von Annegret Kramp-Karrenbauer]

Was sollte eine neue Parteiführung Ihrer Meinung nach mitbringen?
Das wesentliche Problem der Partei ist, dass sie in zwei unterschiedliche Flügel zerfällt: Einen wirtschaftspolitisch eher sozial und gesellschaftspolitisch liberal ausgerichteten Teil – also die sogenannten „Merkelianer“ – und einen wirtschaftspolitisch marktwirtschaftlich und gesellschaftspolitisch konservativen Teil.

Die wesentliche Aufgabe des neuen Vorsitzenden – und das war natürlich auch schon die Aufgabe von Kramp-Karrenbauer – ist, diese beiden Teile der Partei zumindest insoweit zusammenzuführen, dass nach außen hin eine einheitliche Linie erkennbar ist. Wichtig ist auch, dass die Gesamtpartei den neuen Vorsitzenden unterstützt und hinter ihm steht.

Aber das ist eine ganz schwierige Aufgabe, besonders für die Leute, um die es jetzt geht: Laschet ist eindeutig ein wesentlicher Vertreter der „Merkelianer“, Merz gehört zum konservativen Flügel. Die Frage ist, ob man den jeweils anderen Teil der Partei wenigstens soweit auf seine Seite ziehen kann, dass in einer Wahl die CDU einheitlich agiert und hinter ihrem Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten steht.

Bei Söder würde ich sagen, dass er das Risiko einer Kandidatur nicht eingeht. Er wird zwar eine große Rolle bei der Frage spielen, wer Kanzlerkandidat wird, aber er wird nicht selber in den Ring steigen.

Wer hat momentan die besten Chancen für eine Nachfolge?
Das kommt darauf an, nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgt. Es war ja jahrzehntelang so, dass das Hauptkriterium für den Kanzlerkandidaten der CDU die Frage war, wie gut er bei den Wählerinnen und Wählern ankommt. Das heißt, man hat Inhalte weniger wichtig bewertet als die Machtfrage.

Wenn man nach diesem Kriterium vorgeht, dann zeigen alle Umfragen, dass Merz bei der Bevölkerung und auch bei der Parteibasis deutlich vorne liegt. Allerdings ist Laschet bei dem Partei-Establishment, bei der Parteiführung, eindeutig die Nummer eins. Jetzt kommt es darauf an, ob sich diese sich durchsetzt.

Man weiß ja auch jetzt schon, dass wohl einiges getan wird, um Merz zu verhindern. Auch Frau Merkel steht da ja nicht abseits.

Welche Bedeutung hat der angekündigte Rücktritt für Angela Merkel? Wird sie früher gehen müssen?
Annegret Kramp-Karrenbauer ist auch daran gescheitert, dass es mit Frau Merkel sozusagen noch eine zweite Parteivorsitzende gibt, die sich auch einmischt – und sei es aus Afrika. Das wird sich aber – wenn es nach Frau Merkel geht – auch bis zum Ende der Legislaturperiode nicht ändern, weil sie ja alles daran setzt, Kanzlerin zu bleiben.

In der Konstellation mit Herrn Laschet könnte es funktionieren, denn er und Frau Merkel sind inhaltlich auf einer Linie.

Anders sieht es natürlich aus, wenn Herr Merz es werden würde: Man weiß um die persönlichen Probleme, die er und Frau Merkel miteinander haben. Mit ihm wäre es für Frau Merkel schwieriger, im Amt zu bleiben. Aber da hat ja auch die SPD noch ein Wörtchen mitzureden.

Ist die deutsche Demokratie nach den Ereignissen in Thüringen gefährdet?
Nein, das denke ich überhaupt nicht. Die ganzen historischen Vergleiche halte ich für unangemessen. Jede Zeit hat ihre eigene Bedingungskonstellation und wir sind weit von Weimarer Verhältnissen entfernt.

[Mehr zum Thema: Thüringer CDU-Chef Mohring kündigt sofortigen Rücktritt an]

Worauf kommt es in der CDU jetzt an?
Bei der CDU geht es in den nächsten Monaten nicht nur um die personellen Entscheidungen. Es geht auch darum, wo die CDU inhaltlich hin will. Will sie weiterhin auf der sozialliberalen Linie von Merkel bleiben und damit einen Großteil ihrer konservativen Wähler nicht zurückgewinnen?

Will sie konservativere Akzente setzen und damit die Chance haben, einen Teil der Wähler, die aus Protest zur AfD gegangen sind, zurückzugewinnen? Das würde mit der Gefahr einhergehen, dass wiederum Befürworter der sozialliberalen Linie abwandern.

Die CDU muss außerdem eine Lösung auf die Frage der Zusammenarbeit mit links und mit rechts finden. Da muss es sinnvolle Strategien geben, die es der CDU erlauben, einerseits ihre eigenen Werte aufrecht zu erhalten und andererseits den Realitäten (gerade im Osten des Landes) Rechnung zu tragen.

Eine pragmatische Möglichkeit der Abgrenzung zur Linken in Thüringen wäre, bei einzelnen Gesetzen, also punktuell, über eine Zustimmung zu entscheiden. Nach rechts muss in jedem Fall deutlich gemacht werden, dass es zu keiner Zusammenarbeit mit der AfD kommen wird.  

Muss sich das Ausland Sorgen um Deutschland als Stabilitätsgaranten machen?
Nein. Wir sind stabil genug, um sowas aushalten zu können. Bei uns auf den Straßen läuft es nicht so ab wie zum Ende der Weimarer Republik. Es gibt auch keinerlei Anzeichen, dass die Bürger in der letzten Zeit ihre Einstellung zur Demokratie dramatisch verändert haben. Insofern halte ich unsere Demokratie für so gefestigt, dass sie so etwas problemlos überstehen kann.

Annegret Kramp-Karrenbauer hat angekündigt, am 24. Februar einen Vorschlag für ihre Nachfolge zu machen. Was bedeutet das für die CDU?
Der Druck aus der Partei hat ihr gezeigt, dass ihr ursprünglicher Zeitplan nicht haltbar ist. Die Frage ist aber, ob es bis zum 24. Februar gelingen kann, zwischen den Kontrahenten Einigkeit darüber zu erzielen, wer Kanzlerkandidat werden soll. Das wäre das Beste für die Partei, die sich einen längeren öffentlichen Streit nicht leisten kann.

Jana Marie Bertermann

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