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Politik: Kampfansage

Neue Vertreter der Hausärzte drohen mit Ausstieg aus dem System – sie sehen Fachkollegen im Vorteil

Berlin - Das Wahlergebnis ist eine klare Warnung. Beim Hausärztetag in Berlin kürten die Delegierten Ulrich Weigeldt zum neuen Bundesvorsitzenden ihres Verbands und Wolfgang Hoppenthaller zum Vize. Weigeldt war nach heftigem Streit im Juli seinen Job als stellvertretender Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) losgeworden, weil er angeblich die gemeinsamen Interessen von Haus- und Fachärzten zu wenig verfolgte. Und Hoppenthaller war als bayerischer Hausärztechef dadurch aufgefallen, dass er das ganze System infrage stellte.

Bisher seien „die hausärztlichen Interessen immer hinten hinuntergefallen“, so Hoppenthaller. Daher sollten die Hausärzte nicht nur den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) den Rücken kehren. Nachdem sie in der gesetzlichen Krankenversicherung nur als „Arbeitssklaven“ gehalten würden, sei es auch nötig, den Ausstieg aus dem GKV-System zu erwägen.

Bei der KBV bezeichnen sie Hoppenthaller als nicht ernst zu nehmenden Krawallmacher. Doch in Bayern scheinen seine Drohungen Eindruck hinterlassen zu haben. Am Freitag brachte der Freistaat im Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes „zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung“ ein. Obwohl die Gesundheitsreform die Hausärzte bereits kräftig protegiert. So muss nun jede Kasse Hausarztverträge anbieten. Zudem werden Zweitpraxen möglich und die Anstellung von Ärzten erleichtert.

Reicht nicht, findet Bayern. Sozialministerin Christa Stewens (CSU) und begründet dies mit der Befürchtung eines bald schon eintretenden Hausärztemangels. „Das Durchschnittsalter liegt zwischen 55 und 58 Jahren“, sagte sie dem Tagesspiegel. Es sei damit zu rechnen, dass „wir keine Ärzte mehr finden, die bereit sind, diese Praxen zu übernehmen. Das heißt: Der Sicherstellungsauftrag ist ein Stück weit gefährdet.“ Der Grund: Der Hausarztberuf sei „unattraktiver geworden“. Die Einkommen seien gesunken, viele Interessenten hätten „Angst vor der gewaltigen Bürokratie“. Zwar werde sich mit der Reform einiges bessern. Doch in der Selbstverwaltung müsse die Position der Hausärzte noch gestärkt werden.

Tatsächlich wird der Verteilungskampf zwischen Haus- und Fachärzten heftiger, der bisherige Zusammenhalt in der KBV bröckelt. Die Politik hat das vorangetrieben, indem sie sich für ein hausarztzentriertes Versorgungssystem starkmachte. Da gleichzeitig nicht viel mehr Mittel fließen sollen, kann das letztlich nur auf Kosten der Fachärzte gehen.

Die aber wehren sich. Unter den Ärzten gebe es „große Reibereien“, sagt Stewens. Die Hausärzte fürchteten, im Honorarwettbewerb mit den Fachärzten zu unterliegen. Bayerns Initiative sieht daher vor, ihnen in den Kassenärztlichen Vereinigungen ein eigenständiges Verhandlungsmandat einzuräumen. Zudem sollten die KVs bei Hausarztverträgen außen vor bleiben, und für die Honorierung von Haus- und Fachärzten müssten unterschiedliche Orientierungswerte gelten.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) bekundete schon mal Sympathie für den bayerischen Vorstoß – und wünschte den Hausärzten munter „noch mehr Selbstbewusstsein“. Was das Finanzielle betrifft, halten sich aber beide Politikerinnen bedeckt. Eine „bescheidene Aufwertung der hausärztlichen Tätigkeit von derzeit 15 auf 25 Euro pro Monat und Patient“, fordert der Hausärzteverband. Dies sei „sofort umzusetzen“.

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