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Politik: Kanzler Auf die kommt es an

Was für ein Amt. Herausgehoben wie keines sonst. Mächtig. Wichtig für die ganze Republik. Jeder Wind weht dich an, sagte Helmut Kohl einmal. Auch der Wind der Veränderung. Eine Annäherung.

Helmut Schmidt

Bundeskanzler

von 1974 bis 1982

Gerhard Schröder

Bundeskanzler

von 1998 bis 2005

Kurt Georg Kiesinger

Bundeskanzler

von 1966 bis 1969

Willy Brandt

Bundeskanzler

von 1969 bis 1974

Ludwig Erhard

Bundeskanzler

von 1963 bis 1966

Welche Kanzlerschaft hat Deutschland am meisten vorangebracht?

Wenn das mal keine Fangfrage ist! So findet man für gewöhnlich heraus, wer wen besonders gut fand oder findet … Aber im Ernst: Helmut Kohl. Keine Frage. Das muss man einfach sagen. Auch wenn es bestimmt nicht jeder hören oder lesen mag. Was Kohl, „Helle“ Kohl, einst Mittelläufer des SV Phönix 03 Ludwigshafen, als Kanzler gemacht hat, und zwar über so viele Jahre, länger als Konrad Adenauer, gleichsam als echter Eiserner Kanzler – das hat Respekt verdient. Keiner hat so oft das Sozialgesetzbuch reformiert, zum Beispiel, oder von Norbert Blüm, seinem Knappen, reformieren lassen: das hat kein Bismarck geschafft, bei Weitem nicht. Und noch mehr. Nach sieben Jahren war Kohl am Ende, politisch und auch, halten zu Gnaden, körperlich. Es ging ihm nicht gut, die Prostata, dann kamen die Rebellen um Lothar Späth, der Showdown auf dem Bremer Parteitag. Das kostete Kraft. Aber er gewann – und hatte die Chance, in die „Gechichte“, wie er es auf Pfälzisch immer sagte, einzugehen: als Kanzler der Einheit. Beherzt und mit Sinn für das zu Machende und Machbare. Der Zehn-Punkte-Plan, getippt von seiner Frau auf der Reiseschreibmaschine, ja, davon zehren wir noch heute. Und werden es immer tun, weil es in den Geschichtsbüchern breiten Raum einnehmen wird. Kohl, von dem manche dachten, er sei der ewige Kanzler, wird es dadurch, durch diese unvergleichliche Leistung, irgendwie tatsächlich auch bleiben.

Daneben haben, wenn man es ganz streng betrachtet, nur noch Willy Brandt und Konrad Adenauer Bestand. Der eine, Adenauer, durch die sogenannte Westbindung, also die Bindung an westliche Werte und Partnerschaft, und die Grundlagen, besser: die Grundlegung für das demokratische Gemeinwesen, das wir heute für selbstverständlich halten. Er hat Westdeutschland nach dem verheerenden Krieg in die Völkergemeinschaft zurückgeführt. Der andere, Brandt, wegen der Ost- und Entspannungspolitik, die – wenn man es alles positiv wenden will – den langen Weg zur deutschen Einheit eröffnet hat. Und weil er, ein geflügelter Satz inzwischen, „mehr Demokratie wagen“ wollte. Auch hier gab es eine Form gesellschaftlicher Entspannung, sogar eine Art intellektuellen Aufbruch in die Moderne.

Welche Kanzlerschaft war die wichtigste für Europa?

Na ja, man kann eigentlich nicht immer Kohl nennen, obwohl … Angela Merkel auch nicht, noch nicht. Deswegen: Kohl. Er ist Ehrenbürger Europas! Und davon gibt es insgesamt nur zwei. Der andere, Jean Monnet, ist tot. Der Euro wiederum ist die Gegenleistung der Deutschen unter Kohl für die überwundene Teilung des Landes; und damit wurde auch die Teilung des Kontinents überwunden. Das mal in aller Kürze. Man könnte noch viel mehr anführen. Wie der Konservative Kohl und der Sozialist François Mitterrand sich über den Gräbern von Verdun an den Händen hielten – das war eine Geste von Rang. Von einem Rang wie: der Kniefall von Warschau. Ja, und wieder wird damit Willy Brandt genannt. Was zeigt: Dessen Kanzlerschaft war viel kürzer, von 1969 bis 1974, sie endete auch unglücklich wegen des Spions Günther Guillaume, aber sie war inhaltsstark. Die Osteuropäer waren schwer beeindruckt, und nicht nur die. Brandt wurde Friedensnobelpreisträger.

Dagegen verblasst dann auch Konrad Adenauer, obwohl der – was die Römischen Verträge betrifft, was die Aussöhnung mit Frankreich unter General de Gaulle angeht – unbestritten seine Meriten hat. Leider sind sie inzwischen ein wenig verblasst; wie auch in Vergessenheit geraten ist, dass Adenauer der erste Kanzler war, der Ostpolitik betrieb, erfolgreiche dazu. Seine Gespräche mit der sowjetischen Führung brachten schließlich viele Kriegsgefangene nach Hause. Aber das nur am Rande.

Apropos am Rande. Helmut Schmidt, der die „Europäische Währungsschlange“ erfand (mit seinem späteren Freund und vormaligen Staatspräsidenten Frankreichs, Valery Giscard D'Estaing), und Gerhard Schröder mit seinem Nein zum Irakkrieg (abgestimmt mit Frankreichs Jacques Chirac) haben das Ihre dazu getan, Europas Stimme in der Welt Gehör zu verschaffen. So oder so. Zu ihrer Zeit gab es schon auch erstaunlich viel Zusammenhalt, das muss man sagen.

Welche Kanzlerschaft hat der Opposition am meisten genützt?

Was wird das hier, eine Kohl-Hagiografie? Himmel. Dieser Kanzler hat zwangsläufig so viel reformiert und privatisiert, dass er ebenso zwangsläufig breite Angriffsflächen bot. Und zugleich später Ansatzpunkte für weitere Modernisierung. Obzwar die Opposition das bestimmt nicht gerne zugeben will. Aber ganz so falsch waren die Privatisierungen von beispielsweise Post und Telekommunikation nicht, im Nachhinein. Immerhin hat die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht eben gelitten, von heute aus gesehen, um es mal vorsichtig so auszudrücken.

Nun zu den anderen: Konrad Adenauer hatte sich irgendwann im Amt überlebt, und das kam auf längere Sicht auch der Opposition zugute. Denn nach ihm kam Ludwig Erhard, ja, der war nicht nur Wirtschaftsminister, aber in dem anderen Amt zu schwach. Ihm folgte Kurt Kiesinger, hoch gebildet, sehr philosophisch, nur keiner, der der neuen Zeit die Stirn bieten konnte – nach ihm war Brandt. Schmidt hat der Opposition gar nicht genützt, weil er auch ganz schön konservativ war. Schröder hat ihr genützt, weil er elf Wahlen in Folge und die eigene Macht für ein Prinzip – die Agenda 2010 – verlor. Und weil er, andererseits, die Grundlage legte für ein reformiertes Deutschland. Ein Land, das sich tatsächlich aufraffte, Dinge grundlegend zu ändern. Davon profitieren wir bis heute.

Unter welcher Kanzlerschaft haben Koalitionspartner am meisten gelitten?

Nein! Nicht Kohl! Der hat die FDP immer gut behandelt. Zu gut sogar, würden Christdemokraten von damals sagen. Auch nicht Brandt, nicht Schmidt. Ein bisschen mehr schon die Grünen unter Schröder. Was der denen alles abverlangt hat, die in Teilen turboliberale Agenda, die Zustimmung zu Kriegseinsätzen, die Joschka Fischer, dem Außenminister, eine Farbbeutel-Attacke auf einer Bundesdelegiertenkonferenz eintrug und dieses Argument erforderte: „Nie wieder Auschwitz!“ Daran leiden die Grünen übrigens bis heute.

Womit wir tatsächlich bei Angela Dorothea Merkel wären! Sie hätte auch schon früher genannt werden können, aber noch ist sie ja aktiv, wer weiß, wie lange noch. Die anderen sind ja schon Geschichte, mehr oder weniger. Also, bei ihr kann noch so viel kommen. In Europa zum Beispiel, wo sie regiert. Das sie regiert, wie manche meinen. Und da könnte in Deutschland noch viel mehr kommen, bei Reformen zum Beispiel. Das soll als Anspielung gegenwärtig mal reichen.

Aber eines ist schon sicher: Wer mit ihr koaliert, muss leiden. Die SPD hat es erlebt, nach ihr die FDP – beide sind, sagen wir es mal salopp, platt. Die SPD hatte nur das Glück, ein wenig größer als die FDP zu sein, sonst wäre sie auch aus dem Bundestag geflogen. Oops, sie wird es wieder tun … Das muss jeder wissen. Denn Merkel ist eine, für die Themen nicht links oder rechts sind, um einen Satz von Schröder zur Wirtschaftspolitik abzuwandeln, sondern nur gut oder schlecht. Für sie nicht zuletzt. „Shadowing“ nennt das der Brite, eine Taktik, mit der Tony Blair damals aus der Opposition an die Macht gelangte: Was der andere auch macht – man macht’s auch. So werden Themen gemacht, und wer das tut, besetzt die Macht. Wie Blair seinerzeit, wie Merkel immer wieder. Aber merke: Das ist eine Oppositionstaktik! Ein Schelm, der sich was dabei denkt.

Welcher Kanzler hat die CDU, hat die Union insgesamt am stärksten verändert?

Adenauer hat sie erfunden. Als politisches Zentrum der neuen Bundesrepublik, aus der einstigen Zentrumspartei einer untergegangenen Republik hervorgehend. Er hat ihr die frühe Hinwendung – ja, die gab es damals auch – zum Sozialistischen, zum „Herz-Jesu-Marxismus“ ausgetrieben. Das war mit ihm nicht zu machen, und da er gewieft wie kein anderer war, konnte er das als Vorsitzender auch. Er kam als Erster damals zum Parteitag, saß schon da und übernahm den Vorsitz der Versammlung, mit den Worten, er gehe davon aus, dass keiner älter sei als er und er deswegen als Alterspräsident … Ja, so macht man das. So war er, der Alte. Und das Ahlener Programm von 1947 wurde Geschichte. Wer es heute zur Hand nimmt, der liest so was: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.“

Das waren Zeiten. Und Töne – zum Staunen. Wie es damals die Delegierten des kleinen Parteitags in Bonn in der Vereinigungszeit taten, als Lothar de Maizière aus der DDR sie daran erinnerte, an den Plan vom „Sozialismus aus christlicher Verantwortung“, wie Jakob Kaiser es sagte. Kaiser, der für Berliner eine besondere Bedeutung hat. Nicht nur wegen des stark befahrenen gleichnamigen Platzes, sondern weil er von 1950 bis 1958 stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und das soziale Gewissen der Partei war. Adenauer hatte es nicht leicht mit ihm. Kaiser starb kurz vor dem Mauerbau, im Mai 1961. Er hat ein Ehrengrab des Landes Berlin. Verdientermaßen.

Womit wir auf einem Umweg wieder bei Kohl wären. Der hat, als er Heiner Geißler als Generalsekretär hatte, schon eine Menge verändert. Wie er in den achtziger Jahren gegen die „Verbonzung“ wetterte! Und dann der Essener Frauenparteitag. Und der Parteitag zur „Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes“. Oder dieser Satz: „Stoßt die Paschas vom Thron!“ Was dann ja auch geschehen ist, im Übrigen. Weil Kohl selber ein Pascha wurde.

Aber keiner reicht in dieser Frage an Angela Merkel heran. Die CDU ist ohne Übertreibung heute eine moderate, sozialdemokratische Partei. Sie vertritt Positionen, wie sie auch in der SPD mehrheitsfähig wären. Man kann mal den Blindtest machen. Streiche SPD aus Beschlussvorlagen, setze CDU ein – und es könnte passieren, dass die einen Parteitag inhaltlich unbeanstandet passieren. Daran leiden auch einige Christdemokraten, allerdings vornehmlich ältere. Oder solche, die Merkel kaltgestellt hat. Die Zeichen der Zeit (Matthäus, ein Zitat aus der Bibel) sind aber ultimativer Pragmatismus. Das verändert natürlich auch das Wesen einer Partei. Liberal, grün, sozialdemokratisch und dazu – bisher noch – ein wenig Betreuungsgeld für die letzte konservative Klientel: Das ist die Merkel-Mischung. Viele Wähler finden sie bekömmlich.

Ach ja, schon mal bemerkt, wie viele Frauen in der CDU den Ton angeben? Im Hintergrund, hinter Merkel sowieso, aber auch zunehmend im Vordergrund. Sehr oft steht (oder sitzt) jetzt Ursula von der Leyen für die Partei im Rampenlicht. Also wenn Merkel 2016 die erste Bundespräsidentin werden wollte oder in Europa Präsidentin, dann … Aber das ist eine andere Geschichte. Käme es so, dann ginge sie allerdings endgültig mit einem großen Eintrag in die Geschichtsbücher ein. Von wegen nur „Kohls Mädchen“.

Welche Kanzlerschaft war – bisher – am teuersten für den Steuerzahler?

Was soll die Einschränkung „bisher“? Was soll noch kommen, nach der Finanzierung der deutschen Vereinigung? Ein Glücksfall, und noch einer dazu, dass wir die Rentenversicherung haben. Ohne die wäre das alles nicht gegangen. Und wer bezahlt’s? Genau, wir alle. Aber auch sonst: Der Soli und all die anderen einigungsbedingten Abgaben, die schlagen mit abertausenden Milliarden zu Buche. Das kann keiner toppen. Ja, ein Krieg käme teurer, aber über so was wollen wir nicht weiter reden, oder? Und wenn der Euro zusammenbräche … Aber auch das will ja keiner, jedenfalls ganz bestimmt keiner der Regierenden. Denn die Kosten wären unabsehbar.

Welche Kanzlerschaft war, welche ist mit Blick auf politische Projekte und die Nachfolge betreffend am nachhaltigsten angelegt?

Da wollen wir mal gerecht sein: Alle waren auf ihre Weise nachhaltig angelegt, nur begründet nicht jede eine Ära. Ein Beispiel: Die Große Koalition unter Kurt Kiesinger von der CDU – die übrigens mit einem großen G zur besseren Unterscheidung von der nächsten großen Koalition geschrieben wird – war lange eine der am meisten unterschätzten. Wer unparteiische Historiker fragt, der bekommt zu hören: Kiesinger hätte mehr Augenmerk verdient. Unabhängig davon, dass ihm Beate Klarsfeld eine Ohrfeige verpasste wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft. Das hatte es so auch noch nicht gegeben.

Was ist anders unter einer Kanzlerin?

Der Umgang, die Kommunikation, die Art der Problemlösung. Der Machismo mit diesem Sich-in-die-BrustWerfen, der ist vorbei. Der letzte Erfolg dieses betont Männlichen war Schröders Wahlsieg über Edmund Stoiber. Stoiber war dem provokanten, herausfordernden Kanzler („Sagen Sie nur Ja oder Nein“) nicht gewachsen. Aber diese Methode ist überaltert, gewissermaßen. Das sieht man ja auch an dem Wahlergebnis für Peer Steinbrück. Dahinter geht es nicht mehr zurück, will sagen: Merkel hat die Paschas vom Thron gestoßen. Hier in Deutschland wird nicht mehr geführt, sondern angeleitet (weder noch, wie man auch ironisch sagen kann). Das erinnert an das Motto eines Pfarrertages der evangelischen Kirche, das sinngemäß lautete: (Ge-)leite mich, wohin ich (noch) nicht will. Und Merkel ist evangelische Pfarrerstochter, noch dazu Fliehkräften ausgesetzt, als FDJ-Sekretärin für Kultur, was Agitation und Propaganda beinhaltete. Kurz: Alles ist anders. Und zumindest das ist gut so.

Was war das jeweilige Erfolgsgeheimnis?

Oh je, da gibt es viele. Geheimnisse auch. Aber das mag als eine Konstante gelten: Es wurden diejenigen gewählt, denen sich die Menschen nahe oder näher fühlten. Oder die sie zutiefst respektierten. Letzteres galt besonders für Schmidt, der autoritär-autoritativ daherkam. Schmidt konnte die Welt erklären wie kein Zweiter. Das kann er bis heute. Weltklasse. Und er schiss sogar einen amerikanischen Präsidenten – Jimmy Carter – zusammen. Das machte Eindruck. Aber bei den anderen war es so: Selbst ein distanzierter Mensch wie Brandt konnte das Gefühl der Nähe erzeugen, der Wärme. Trotz seiner Aura des Geheimnisvollen, manchmal Umdüsterten, die ihn auch umgab. Kohl, der sich Brandt zeit seines Lebens verbunden fühlte, der ihn respektierte wie nur wenige sonst, war einer, von dem Franz Josef Strauß abschätzig sagte, an ihm könne man sehen, dass jeder Kanzler werden kann. Das war richtig und falsch. Kohl kam aus dem Volk, wie man früher sagte – und hielt Kontakt zum Volk. Betonte es auch geschickt, so dass alle Ulkereien über ihn – man nannte ihn „Birne“ – sich dann irgendwie auch gegen alle die richteten, die wie Kohl Dialekt sprachen und nicht so alert wirkten, sondern provinziell.

Merkel hat diese Gabe der Wärme in großem Maß. Es ist wie ein Wärmestrom. Sie wirkt so normal, so unaufgeregt, unideologisch, einfach nett. Und weil sie dazu auch nicht perfekt erscheint bei allem Styling, ist sie die, die das am besten verkörpert: An ihr kann man sehen, dass jede Kanzlerin werden kann. So denken die Menschen, einerseits. Und andererseits bewundern sie Merkels Arbeitsleistung, geradezu ein Arbeitsethos, ihr Pflichtgefühl, ihre zurückgenommene, uneitle Art. Die Raute ist den Deutschen eben allemal lieber als der Stinkefinger. Bei ihr erscheint sogar „An Tagen wie diesen“ von den „Toten Hosen“ wie ein Schlager.

Wer hatte den besten Abgang?

Wie soll der aussehen? Anständig verlieren, das ist eine Art. Der große Adenauer war darin nicht so groß, Schröder raunzte Merkel an, dass es ihm bis heute nachläuft, Brandt trat zurück, aus vielen Gründen, Schmidt wurde gestürzt, Erhard fiel aus Schwäche, Kiesinger musste weichen … Kohl, der hat Schröder sehr ordentlich gratuliert, das war schon gut. Und ein bisschen unerwartet. Es hätte auch anders sein können.

Also, der beste Abgang wäre: zurücktreten auf dem Zenit, denn nach dem Zenit kommt immer der Abstieg, im Vollgefühl der Macht, und vorher ist alles bedacht. Wer die Regierungsgeschäfte führen kann, aber wirklich, wer die Partei anführen kann. So halt. Ohne Tränen, mit klaren, kurzen Sätzen. Mit dem Pathos der Bescheidenheit. Im Parlament verkündet, der öffentlichen Volksvertretung, im Forum des Souveräns, nach einer Regierungserklärung, bei der die Zuhörer sich während des Vortrags die ganze Zeit sagen: „Das klingt jetzt doch wie eine Bilanz.“ So endete dann eine Kanzlerschaft und begründete eine Ära. Kann ja noch kommen.

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