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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

© dpa

Kanzlerkandidatur: Warum Angela Merkel sich für 2017 alles offen hält

Die Bundeskanzlerin wartet ab, bis ihr die Gelegenheit günstig erscheint zu sagen, was sie will. Die Nerven verlieren wird sie jedenfalls nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Und wieder ist eine Woche vorüber, in der die Bundeskanzlerin jede Antwort schuldig blieb, was sie denn nun will: in der Politik, bei Rente, Steuern, Bildung, bei der Integration der Zufluchtsuchenden, aber auch auf sie selbst gesehen. Nicht einmal, als die CDU in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie ihren Wahlkreis hat, tagte, wurde Angela Merkel konkret. Man könnte meinen, sie wollte sich mit Sturheit nachträglich hier beheimaten.

Aber so ist sie ja nicht, so einfach auszurechnen. Wahrscheinlich überrascht sich Merkel auch manchmal selber. Denn beileibe nicht alles, was sie tut oder unterlässt, ist Kalkulation, vieles ist Intuition. Denken wir nur an die Öffnung der Grenzen für die Tausende, die mühselig und beladen aus Syrien kamen. Auch da wurde erst nachher, von ihren Exegeten im Kanzleramt, ein Plan hineingedacht.

Nur vielleicht ist es eben diese Intuition, verbunden mit demonstrativer Dickköpfigkeit in einer konkreten Situation, die Merkel immer wieder aufs Neue stark macht, wo mancher sie schon schwach zu werden wähnt. Indem sie einfach (lange) nicht das Erwartete tut, ja oft lange gar nichts tut, weckt sie nicht bloß Erwartungen, dass am Ende etwas Unerwartetes oder womöglich ganz Besonderes kommt. Sondern Merkel strapaziert die Nerven der anderen: die Nerven ihrer Gegner in den eigenen Reihen mindestens ebenso wie die derer in den konkurrierenden Parteien.

Regelmäßig gewinnt sie dann, wenn Gegner diesen Druck nicht aushalten. Also wenn die am liebsten sofort tätig werden wollen. Wie jetzt beispielsweise wieder gut bei der SPD zu sehen. Die wollte in der Kanzlerkandidatenfrage aus wohlerwogenen Gründen mit der Antwort ins nächste Jahr hineinkommen. Ins Wahljahr also, das für jeden Kandidaten noch lang genug werden wird. Doch inzwischen hat die Sozialdemokratie offenkundig das Gefühl, es müsse ganz dringend etwas geschehen, und sei es bei ihr, wenn nicht bei Merkel. Sie hält es nicht aus.

Politische Logik

Was den Mangel an politischem Selbstvertrauen bei der SPD zeigt, der der Bundeskanzlerin zugute kommt. Wer von sich selbst nicht überzeugt ist, wie soll der andere überzeugen? Man muss ja nicht übertreiben wie einst die testosterongesteuerten Vormänner der Sozialdemokratie gegen Merkel. Aber ständig zu schwanken, ergibt noch keine gerade Linie.

Zunehmend entnervt reagieren aber auch Merkels Gegner in den Unionsreihen. Was ganz allmählich zu einem Plan werden kann. Denn auf diese Weise finden Merkel und ihre bedingungslosen Unterstützer wie der CDU-Generalsekretär heraus, wo der Widerstand in der eigenen Partei sitzt und wie stark er ist. Letzteres gilt auch für die CSU, bei der ja schon einige ihr Haupt vor der Kanzlerin beugen.

Das ist doch auch eine Form von Logik, politischer zumal: Ist die Gegenwehr schwach, wird sie nach Merkels Erklärung pro Kandidatur angesichts ihrer Demonstration der (Nerven-)Stärke noch schwächer. Ist der Widerstand zahlenmäßig stark, kann Merkel ihn mit ihren Unterstützern entweder lokalisieren und bekämpfen – oder aufhören. Unbesiegt. So hält sich die Kanzlerin alles offen. Mögen die anderen rätseln, sie wartet. Wartet ab, bis ihr die Gelegenheit günstig erscheint zu sagen, was sie will. Das ist eine Kalkulation wert. Man könnte es aber auch eine Wette nennen, wer zuerst die Nerven verliert. Und da sollten nach elf Jahren Merkel inzwischen alle wissen: sie nicht.

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