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Politik: Kapital für die Wahl

In NRW liefern sich die Parteien einen Schlagabtausch um die von Müntefering angestoßene Debatte

Je länger Ingo Wolf redet, umso heiterer wirkt Peer Steinbrück. Am Ende schüttelt er sich vor Lachen. Dabei müht sich der Führer der liberalen Oppositionspartei im Düsseldorfer Landtag, den Regierungschef mit starken Worten zu attackieren. „Den Links-Ruck der SPD muss man ernst nehmen“, ruft Wolf aus, der seinen Vortrag mit allerlei Zitaten von Franz Müntefering garniert. Für den liberalen Wolf stimmt die ganze Richtung der SPD nicht: „Die These vom ungezügelten Kapitalismus ist falsch“, argumentiert er, und wenig später nimmt er sich Steinbrück persönlich vor: „Deshalb fordere ich Sie auf, sich zu distanzieren.“

Den Beobachtern auf der Tribüne war zu diesem Zeitpunkt schon aufgefallen, dass ein wichtiger Mann der Opposition im Plenum fehlte: CDU-Fraktionschef Jürgen Rüttgers’ Platz blieb demonstrativ leer, er schlenderte erst in den Saal, als Wolf fertig war und sein Vorgänger Helmut Linssen sprach. Der begann zwar mit der Feststellung, dass auch er Manager kenne, die hohen moralischen Ansprüchen nicht genügen, aber dieses Kapitel verließ er schnell. „Das ist ein Ablenkungsmanöver, um eigenes Versagen vergessen zu machen“, gab er als CDU-Linie vor, „wir beteiligen uns nicht an der platten Kapitalismuskritik“. Jürgen Rüttgers klatschte, mehr trug er nicht zur Debatte bei.

Als Peer Steinbrück wenig später zu reden beginnt, wird schnell klar, warum er sich so freut, dass ausgerechnet die FDP diesen Schlagabtausch in einer aktuellen Stunde eingefordert hat. Er erinnert Wolf an Ralf Dahrendorf, den liberalen Vordenker. Der hatte schon vor einiger Zeit eingefordert, dass sich endlich ein „moralischer Kapitalismus“ entwickelt.

Dann schlägt der Ministerpräsident einen Bogen zu Helmut Schmidt, mit dem er am Vorabend gemeinsam über die Zukunft der Republik debattiert hatte. Dabei hatte Schmidt erneut über die Auswüchse unseres Wirtschaftssystems und die mangelnde Bankenaufsicht geschimpft. „Genau das fehlt, und deshalb gibt es die wilden Raubtierkapitalismus-Spekulationen“, hatte Schmidt in den Saal gerufen. Steinbrück kann sich anschließend darauf beschränken, Schmidt zu zitieren. „Die Erfüllung moralischer Pflicht hat Vorrang vor der Mehrung des eigenen Wohlstandes“, hatte der Altkanzler gesagt, und Steinbrück kennt unter den Dax-Managern etliche, die solchen Ansprüchen nicht mehr genügen. Genauso gut kennt er freilich die anderen: Kurz nach der Debatte macht er sich – mit Helmut Schmidt – auf den Weg nach Essen. Dort trifft er Berthold Beitz, den Chef der Krupp-Stiftung, die dreistellige Millionenbeträge für gemeinnützige Zwecke ausgibt.

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