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Karikaturen-Streit: Spiel mit dem Feuer in Damaskus

Wie das Assad-Regime in Syrien den Karikaturen-Streit für seine Zwecke ausnutzt.

Kairo - Junge Männer in Lederjacken ziehen mit lauten «Allahu akbar»-Rufen durch die Straßen von Damaskus. Die syrische Polizei, die auf Regimekritiker gerne mal die Knüppel niedersausen lässt, hält sich zurück. Erst als die Brandstifter die dritte westliche Botschaft erreichen, stellt sie sich ihnen in den Weg. Fast sieht es so aus, als sei die sonst allgegenwärtige Staatsmacht gar nicht unglücklich über die Wut, die sich hier entlädt, ist diese doch nicht gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad gerichtet, sondern gegen Ausländer.

Mit den wütenden Protesten im palästinensischen Gazastreifen und in Beirut kann man das, was in am Samstag in Damaskus in den Botschaften Dänemarks und Norwegens geschehen ist, nicht vergleichen. Denn die Sicherheitskräfte haben die Kontrolle über weite Teile des Gazastreifens schon lange verloren und in Libanon gilt generell Versammlungsfreiheit. Syrien dagegen ist ein straff organisierter Polizeistaat, der Protestaktionen nur dann zulässt, wenn sie dem Regime genehm sind. «Konnte oder wollte der syrische Staat die Angriffe nicht verhindern?», fragt deshalb am Sonntag eine Moderatorin des Nachrichtensenders Al-Arabija. Doch ihre Gesprächspartner aus dem Dunstkreis der Führung drücken sich um eine klare Antwort.

«Auf jeden Fall ist klar, dass keine der bekannten islamischen Bewegungen Syriens zu den Protesten aufgerufen hatte», sagt Mohammed Habasch. Der gemäßigte Islamist sitzt als Unabhängiger im Parlament und gilt vielen Syrern, die der verbotenen Muslimbruderschaft nahe stehen, als «islamisches Feigenblatt des Regimes».

Die Regierung distanziert sich derweil von der Protestaktion. Der Minister für islamische religiöse Stiftungen, Ziad al-Din al-Ajubi, betont im Gespräch mit der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA, die Proteste seien «spontan» zu Stande gekommen. Er sagt: «Es ist unser Recht, dass wir protestieren und unsere Wut ausdrücken, nachdem einige europäische Zeitungen unseren Propheten beleidigt haben, aber es ist nicht unser Recht, beim Protest die Grenzen zu überschreiten, die uns der Islam setzt.»

Arabische Beobachter glauben indes, dass die säkulare syrische Regierung über die Kontroverse um die Mohammed-Karikaturen gar nicht unglücklich ist, sondern diese vielmehr für eigene PR-Zwecke ausschlachtet. Denn dass nach dem islamischen Königreich Saudi- Arabien ausgerechnet Syrien aus Protest gegen die Karikaturen seinen Botschafter aus Dänemark abzieht, ist auf den ersten Blick schon erstaunlich. In Syrien herrscht offiziell Religionsfreiheit und selbst muslimische Parlamentarier schämen sich nicht, im Fastenmonat Ramadan tagsüber in ihren Büros zu essen.

Doch seit dem Attentat auf den früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri vor einem Jahr steht die Führung der einstigen Regionalmacht mit dem Rücken zur Wand. Erst musste Assad seine Truppen und Geheimdienstkader aus Libanon abziehen. Dann rückte ihr, mit Rückendeckung aus Paris und Washington, ein UN-Ermittlerteam zu Leibe, das eine Beteiligung syrischer Funktionäre an dem Attentat vermutet. Ein Teil der syrischen Bevölkerung begann sich zu fragen: «Hat unsere Führung Hariri umgebracht und uns damit international ins Aus manövriert?» Und schließlich rief auch noch Ex-Vizepräsident Abdul Halim Chaddam aus seinem Pariser Exil zum Umsturz in Damaskus auf.

Der Ärger der syrischen Muslime über die Karikaturen gibt der Führung nun die Möglichkeit, sich in einer Frage, die vielen am Herzen liegt, mit den eigenen Islamisten zu solidarisieren. Mit diesen hatte man schon während der US-Invasion im Irak eine stillschweigende Übereinkunft getroffen, indem man ihnen gestattete, von Damaskus aus den Strom der Kämpfer in den Irak zu organisieren. Außerdem kann Präsident Assad dem Westen zeigen: Seht her, wenn ihr unsere säkulare Regierung stürzt, dann werden gewaltbereite Islamisten künftig in Syrien das Sagen haben. (Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa)

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