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Karikaturenstreit: Wieder Tote bei Protesten

Ungeachtet weltweiter Appelle zum Ende der Gewalt sind in Afghanistan am Mittwoch erneut mehrere Menschen bei Protesten gegen die in Europa veröffentlichten Mohammed-Karikaturen ums Leben gekommen.

Kabul/New York/Kopenhagen - Bei Ausschreitungen in der südafghanischen Stadt Kalat starben nach unterschiedlichen Angaben bis zu vier Demonstranten. Randalierer unter den mehr als 300 Demonstranten versuchten, die örtliche Polizeizentrale zu stürmen. Daraufhin eröffnete die Polizei das Feuer. Die Zahl der Toten in Afghanistan erhöhte sich damit auf mindestens neun.

Im Westjordanland griffen hunderte Palästinenser das Hauptquartier der internationalen Beobachtertruppe in Hebron (TIPH) mit Steinen an. Scheiben gingen zu Bruch. Die Angreifer zerstörten auch mehrere Autos. Nach Zusammenstößen drängte Polizei die Randalierer ab. Wie ein norwegischer Sprecher mitteilte, wurden alle 71 TIPH-Beobachter, von denen 21 aus Norwegen kommen, abgezogen und nach Tel Aviv gebracht.

Auch in der iranischen Hauptstadt Teheran gab es erneut Ausschreitungen. Demonstranten zogen vor die britische Botschaft und warfen Steine. In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo protestieren mehr als 200 Muslime von der Vertretungen Norwegens, Dänemarks und Frankreichs und verbrannten Nationalflaggen der Länder. Im Jemen wurde zwei Wochenzeitungen die Lizenz entzogen, die die zunächst in der dänischen Zeitung «Jyllands-Posten» erschienenen Zeichnungen nachgedruckt hatten.

Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) riefen Muslime in aller Welt zur Ruhe auf. In einer gemeinsamen Erklärung in New York äußerten UN-Generalsekretär Kofi Annan, der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und der OIC-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu Verständnis für den Ärger über «diese beleidigenden Karikaturen». Die jüngsten Gewaltakte gingen jedoch über die Grenzen eines friedlichen Protests hinaus.

Auch in Deutschland setzen muslimische Spitzenverbände und Regierung weiter auf Dialog und Mäßigung. 16 Verbände der türkischstämmigen und muslimischen Gesellschaft verurteilten die Gewalt einzelner Muslime scharf. Das Bundeskabinett verständigte sich darauf, Kontakte in die arabische Welt weiter mit dem Ziel der Entspannung zu nutzen. Der Bundestag will sich am am Freitag in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema befassen.

Die dänische Zuwanderungs- und Integrationsministerin Rikke Hvilshøj sagte im Rundfunk, Dänemarks Regierung werde ab sofort nicht mehr mit Imamen (Priestern/Vorbetern) der Islamischen Glaubensgemeinschaft zusammenarbeiten. Diese hätten bei Reisen in arabische Länder entscheidend zum Ausbruch der derzeitigen Konflikte beigetragen. Der dänische Ex-Außenminister Uffe Ellemann-Jensen verlangte in Kopenhagen den Rücktritt des «Jyllands-Posten»-Chefredakteurs Carsten Juste wegen der Karikaturen.

Das Pariser Satireblatt «Charlie Hebdo» druckte unterdessen die dänischen Karikaturen nach und reicherte sie mit zahlreichen eigenen Beiträgen an. Die aktuelle Ausgabe von «Charlie Hebdo» war am Mittwoch nach wenigen Stunden ausverkauft. Die Muslimverbände versuchten vergeblich, die Auslieferung juristisch zu stoppen. Präsident Jacques Chirac reagierte scharf: «Die Meinungsfreiheit muss im Geiste der Verantwortung ausgeübt werden. Ich verurteile alle offensichtlichen Provokationen, die geeignet sind, gefährliche Leidenschaften zu entfachen.» (tso/dpa)

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