zum Hauptinhalt

Karrierewechsel: Koch auf dem Absprung

Wohin führt der Weg von Roland Koch? Vor seiner letzten Kabinettssitzung in Hessen dementiert er Gerüchte über den Wechsel zu der Baufirma Bilfinger und Berger.

Vor zwei Jahren hatte Roland Koch im Landtagswahlkampf stets versichert, für eine ganze Legislaturperiode zu kandidieren. Er strebe weder nach höheren Aufgaben in Berlin noch nach einem Wechsel in die Wirtschaft. Dann erklärte er vor Wochen seinen vorzeitigen Rücktritt zur Halbzeit. „Journalisten dürfen auf eine solche Frage keine ernsthafte Antwort erwarten!“ sagte er jetzt dem Radiosender hr-info. Schließlich könne man ein solches Amt nur ganz oder gar nicht ausüben.
Vielleicht gilt dieses Verhältnis zur Wahrheit auch für den Job eines Vorstandsvorsitzes beim Baukonzern Bilfinger und Berger. Am Samstag hatte „Bild“ berichtet, Koch werde diesen Posten im Januar übernehmen. Kochs Sprecher Dirk Metz nannte das „Unfug“; der Noch-Ministerpräsident werde erst in zehn Wochen entscheiden. Er habe bislang nichts verhandelt und nichts zugesagt. Allerdings führt Koch die Erstgespräche zu seiner beruflichen Zukunft nicht selbst. Er hat einen befreundeten Personalberater eingeschaltet. Was nicht zugesagt ist, kann also noch zugesagt werden. Es ist zwar nicht wahrscheinlich, aber die vermeintliche „Bild“-Ente könnte sich doch noch als zutreffende Nachricht erweisen.
Instrumentalisierte Wahrheit

Es ist dieses instrumentelle Verhältnis zur Wahrheit, das Kritiker Roland Koch ankreiden. In der Schwarzgeldaffäre der hessischen CDU im Jahr 2000 geriet Koch an den Rand des politischen Abgrunds, als er sich einerseits in der Öffentlichkeit als „brutalstmöglicher Aufklärer“ stilisierte und gleichzeitig zu wichtigen Details der Affäre die Unwahrheit sagte. Bei Umfragen bescheinigen die Hessen Koch stets Durchsetzungskraft und Kompetenz, die Attribute „glaubwürdig“ und „sympathisch“ verweigern sie ihm.

Nach der Landtagswahl 2008, als Koch nicht nur die 2003 errungene absolute Mehrheit der CDU verlor, sondern als es auch zusammen mit der FDP nicht reichte, bewies er Nerven. Der Macher Koch überlebte als geschäftsführender Ministerpräsident eine rot-rot-grünen Landtagsmehrheit. Nach dem Scheitern des rot-rot-grünen Abenteuers gelang ihm dank einer erstarkten FDP das Comeback. Fragt man ihn jetzt nach seinen Motiven für den vorzeitigen Abgang sagt er, er habe die „Emotionen des zwangsweise Ausscheidens erlebt“, im November 2008, als Andrea Ypsilanti ante portas stand und Koch bereits seine Akten in der Staatskanzlei in Kisten verpackt hatte.

Kaum Chancen auf eine Wiederwahl
Der Wunsch, mit 52 Jahren noch einmal eine neue berufliche Herausforderung zu suchen, mag ein Motiv sein. Mindestens ebenso stark ist das Kalkül, dass sich Koch für 2013 kaum Chancen auf eine erneute Wiederwahl ausrechnet. Ein bisschen Egoismus sei dabei gewesen, als er bereits im Mai seinen Rücktritt für Ende August angekündigt habe, das gibt Koch zu. Der scheidende Ministerpräsident hatte so Zeit zu einer beispiellosen Abschiedsreise durchs Land. Er besuchte die vielen Großbaustellen seiner Amtszeit, die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen oder die privatisierten Unikliniken Gießen/Marburg. Am heutigen Montag leitet er zum letzten Mal eine Sitzung des hessischen Kabinetts. Für den kommenden Montag hat er zu einem Empfang ins hochherrschaftlichen Biebricher Schloss der Fürsten von Hessen und Nassau eingeladen. Die Bundeswehr spielt bei Fackelschein zur „Serenade“ auf, dem kleinen Zapfenstreich.
Koch mag solche Rituale. „Ich bin durchaus ein bisschen mehr als sentimental, aber ich habe gelernt, dass das nicht dauernd die Öffentlichkeit angeht“, versichert er. In vielen Interviews hat sich Roland Koch zuletzt über das Image beklagt, das die Medien von ihm verbreitet hätten. Er gilt danach als Polarisierer, der in seinen Kampagnen auch vor ausländerfeindlichen Untertönen nicht zurückschreckt. Man möge doch bitte auch berichten, dass Hessen unter seiner Führung mehr für die Integration getan habe als jedes andere Bundesland, verlangt Koch. Von seinen Kampagnen gegen den Doppelpass und gegen „kriminelle ausländische Jugendliche“ möchte er jedoch nicht wirklich abrücken: „Nachdenklichkeit wird nur ausgelöst, wenn zuvor Empörung entstanden ist“, sagte Koch hr-info. Es geht also in seinen Augen einer, der für Empörung gesorgt hat, um Nachdenklichkeit auszulösen. Auch eine Sicht der Dinge.

Christoph Schmidt

Zur Startseite