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Politik: Kaschmir-Konflikt: Vajpayee in der Klemme

Indiens Premierminister Atal Behari Vajpayee hat sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen: Er hat die im November verkündete und seitdem jeweils um einen Monat verlängerte Waffenruhe in Kaschmir bis Ende Mai verlängert, aber es sieht nicht so aus, als ob er etwas dafür bekommt. Im Gegenteil.

Indiens Premierminister Atal Behari Vajpayee hat sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen: Er hat die im November verkündete und seitdem jeweils um einen Monat verlängerte Waffenruhe in Kaschmir bis Ende Mai verlängert, aber es sieht nicht so aus, als ob er etwas dafür bekommt. Im Gegenteil. Zwar herrscht an der provisorischen Waffenstillstandslinie erstmals seit Jahren relative Ruhe, aber die Untergrundkämpfer in dem zwischen Indien und Pakistan umstrittenen Territorium haben ihre Aktivitäten auffallend verstärkt, vor allem die Angriffe ihrer Selbstmordkommandos, der "fidayeen". Mit spektakulären Angriffen, wie auf das Rote Fort in Delhi, den Flughafen in Srinagar oder den waffenstarrenden Geldtransport im Kaschmir-Tal am vorigen Donnerstag, haben sie das schwindende Vertrauen der Kaschmiris zurückgewonnen.

Dabei ist es vor allem eine Gruppe, die sich in den gewagtesten Attacken hervortut und zunehmend mehr Rückhalt bei der eigentlich kriegsmüden Bevölkerung gewinnt. Es ist die "Lashkar-e-Toiba" oder Heilige Armee, deren Chef Hafiz Mohammed Sayeed über etwa 3000 Bewaffnete verfügt. Eine zweite Gruppe, die von dem durch die Flugzeugentführung einer indischen Verkehrsmaschine nach Kandahar im vergangenen Jahr freigepressten Maulana Azhar gegründete "Jaish-e-Mohammed", hat die bisher führende Terrororganisation "Harkat-ul-Mujaheddin" abgelöst, die unter anderem auch für die Entführung und wahrscheinliche Ermordung des Deutschen Dirk Hasert verantwortlich ist. Beide Organisationen sind so mächtig geworden, dass selbst das pakistanische Militär nichts mehr bei ihnen zu sagen hat. Gleichzeitig wächst das Selbstbewusstsein der islamistischen Parteien in Pakistan.

Das alles bedeutet, dass sämtliche Hoffnungen auf einen neuen Dialog zwischen Islamabad und Delhi wohl begraben werden müssen. Die wachsende Unruhe in Kaschmir, die Ausmaße angenommen hat wie schon seit Jahren nicht mehr, und die zunehmende Neutralisierung gesprächsbereiter kaschmirischer politischer Gruppen durch die Militanten der "Lashkar-e-Toiba", haben Vajpayee in die Klemme getrieben. Denn nicht nur droht seiner Friedensinitiative das Aus, auch seine Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, nun, da die Waffenruhe offensichtlich nur den Aktionen der Terrorkommandos nützt, also das Gegenteil dessen, was ursprünglich erhofft wurde, erreicht worden ist.

Gabriele Venzky

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