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Politik: Katerstimmung schon vor der Jubelfeier

Drei tolle Tage sind zum 750. Jahrestag von Kaliningrad geplant – die Patrioten haben damit Probleme

Ein Umzug in historischen Kostümen, Walzerklänge für die Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges, ein Wasserfest, eine Segelregatta, eine Lichtschau, Darbietungen der landsmannschaftlichen Kulturvereine, die Eröffnung des Parks der russisch-deutschen Freundschaft und die Weihe der Christi-Erlöser-Kirche, Ritterfestspiele und jeden Abend Feuerwerk. Drei tolle Tage, die mit insgesamt elf Milliarden Rubel (etwa 320 Millionen Euro) zu Buche schlagen, warten auf die Einwohner von Kaliningrad und zahlreiche Gäste. Denn Russlands westlichste Großstadt begeht an diesem Wochenende den 750. Jahrestag ihrer Gründung.

Weder die Stadtoberen noch der Kreml – Putin und dessen in Kaliningrad geborene Ehefrau Ljudmila beehren das Fest höchstselbst mit ihrer Anwesenheit – wollen daran erinnert werden, dass die Jubelfeier um ein Haar ins Wasser gefallen wäre.

Es gebe, so Gouverneur Wladimir Jegorow im April 2003 in einem Schreiben an das Präsidentenamt in Moskau, keine Gründe, den 750. Jahrestag „einer nicht existierenden deutschen Stadt auf nationaler Ebene zu würdigen“. Wenn überhaupt, müsste 2006 gefeiert werden – als 60. Jahrestag der Umbenennung von Königsberg in Kaliningrad. Jegorow berief sich dabei auf Bedenken ehemaliger Frontkämpfer, die in der Tat – allerdings erst als der Kreml die Festvorbereitungen kurzzeitig gestoppt hatte – gegen das Projekt Sperrfeuer schossen.

1255 war Königsberg vom Deutschritterorden gegründet worden. Bis 1918 war es zweite Residenz der Preußenkönige, von denen zwei sich in der Stadt sogar die krönen ließen. Die Stadt und ihr Umland – die ehemals ostpreußische Bernsteinküste – sind seit dem Ende der Sowjetunion 1991 einzige und letzte territoriale Trophäe Moskaus, die an den Sieg über Hitlerdeutschland erinnert. Und nicht nur bei ehemaligen Kriegsteilnehmern geht heimlich die Furcht um, Russland, das die Region 1758 erstmals besetzte, nach Ende des Siebenjährigen Krieges 1762 jedoch an Preußen zurückgeben musste, könnte seinen westlichsten Vorposten erneut verlieren.

Vor allem an diesen Ängsten scheiterten Anfang der 90er Jahre Pläne, Russlanddeutsche im Raum Kaliningrad kompakt anzusiedeln und dort auch die deutsche Autonome Republik wiederherzustellen. Sie hatte bis 1941, bis zum Überfall durch Hitler, an der Wolga bestanden. Noch höher schlugen die Wogen der Empörung, als Polen und Litauen im vergangenen Jahr der EU beitraten. Kaliningrad wurde dadurch de facto zur Insel. Für Reisen auf dem Landweg in die übrigen Regionen Russlands brauchen die Bewohner der Bernsteinküste jetzt ein Transitvisum.

Zwar einigte sich Putin mit der EU und deren Neumitgliedern nach langem Hickhack über ein vereinfachtes Procedere. Auch will Brüssel die Region großzügig fördern. Für russische „Patrioten“ nur ein weiteres Indiz dafür, dass der Westen Kaliningrad nach und nach vereinnahmen will.Die Staatschefs Polens und Litauens wurden denn auch zum Stadtjubiläum nicht eingeladen. Geplant ist lediglich ein informeller Gipfel der so genannten Troika: Putin, Bundeskanzler Schröder und Frankreichs Präsident Chirac. Für eine Jubelfeier ist das keinen Idealbesetzung: Putins Gäste sehen sich an der Heimatfront mit erheblichen Problemen konfrontiert, über die russische Medien ihre Leser mit viel Liebe zum Detail und geschliffenen Bosheiten informieren.

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